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Kein Paar wie wir

Titel: Kein Paar wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Rathgeb
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reden und suchten vergeblich nach einem anderen Thema.
    »Wenige Jahre darauf heiratete die Jackie den Onassis«, sagte Vika.
    »Die Amerikaner waren entsetzt.«
    »Einen Griechen.«
    »Im Playboy sollen …«
    »Ich glaube, es war ein anderes Männermagazin«, sagte Vika. »Aber ich entsinne mich nicht an den Namen. So etwas muss ich mir nicht merken.«
    »Dort sollen Nacktfotos von ihr erschienen sein.«
    »Ein Paparazzo schoss die Fotos. Die Jackie konnte nichts dagegen unternehmen. Der Onassis ließ sie dann sitzen.«
    »Wegen der Callas?«, fragte Ruth.
    »Mit der Callas war er vor der Jackie zusammen gewesen«, sagte Vika. »Die Callas hat er wegen der Jackie sitzen gelassen.«
    Sie zuckten mit den Schultern.
    Die Männer, die Liebe, das Glück, dachten sie. Wenn eine sich so weit nach vorne wagte wie die Jackie, wenn eine so viel vom Leben wollte, dann musste sie mit Rückschlägen rechnen. Man kann nicht alles im Griff haben, man kann sich nur darum bemühen.
    Auch sie hatten den Zufall, aus dem das Schicksal gemacht war, akzeptiert. Ihre Familie hatten sie sich nicht ausgesucht.
    In dem Tagebuch eines katholischen deutschen Dichters hatte Vika die Bemerkung gefunden, nicht das Schicksal sei entscheidend, das einen Menschen ereilt, sondern die Haltung, die er zu seinem Schicksal einnimmt. Dieser Satz hatte ihr gefallen, er sprach ihr aus der Seele.
    »Alt ist sie nicht geworden.«
    »Nein, alt ist sie nicht geworden.«
    »Nicht so alt wie wir.«

10
    Sie hatte sich nicht vorstellen können , in einem Altersheim auf den Tod zu warten. Zuhause wollte sie sterben, in ihrem Bett, neben Vika. Einen gemeinsamen Tod hatten sich beide gewünscht, damit keine allein zurückbleiben müsste. Hand in Hand aus der Welt zu gehen war für sie eine selbstverständliche Vorstellung, so wie es sich für sie von selbst verstand, dass sie zur selben Zeit abends ins Bett gingen und morgens aufstanden. Ohne viele Worte darüber zu verlieren, hatten sie sich den Tod zu zweit versprochen und zweifelten nicht daran, dass sich das Versprechen würde halten lassen.
    Sie gingen davon aus, dass das Ende genau so sein würde, wie sie es sich vorstellten. Man musste, dachten sie, nur fest an etwas glauben, von etwas überzeugt sein, damit es eintraf. Die Zukunft war in ihren Augen nicht so wankelmütig, wie sie dem erscheinen mochte, der keine Ziele und Wünsche hatte. Sie hatten ihr ganzes Leben zusammen verbracht, und sie gingen, alle anderen Möglichkeiten wären absurd gewesen, davon aus, dass sie auch miteinander sterben würden.
    Jetzt aber saß Ruth allein auf einem Stuhl in einem Zimmer, das ihr fremd war. Die Schwestern hatten sich auf den letzten Metern ihres gemeinsamen Lebens vom Tod überrumpeln lassen, sie waren von ihm übers Ohr gehauen worden, wie zwei Anfänger bei einem Spiel, dessen Regeln sie nicht beherrschten. Ein Stuhl war ihr geblieben, ein Bett und ein Schrank. Jahrzehnte hatten sie in einem hellen großen Loft gewohnt, mitten in New York, und danach in einem großen Appartement in Buenos Aires. Sie hatten einen Bund fürs Leben und einen Bund für den Tod geschlossen, sie hatten zusammengehalten in schlechten und in guten Zeiten. Durch die ganze Welt waren sie gereist, sogar in Japan und in Australien waren sie gewesen, sie hatten sich mit immer neuen Eindrücken vollgesogen, jedes Erlebnis, jede Erfahrung war eine weitere Gemeinsamkeit, ein weiteres Band zwischen ihnen gewesen, und manchmal war es ihnen so vorgekommen, als wären sie ein und dieselbe Person, füreinander völlig durchlässige Wesen, die nichts vor dem anderen verbergen konnten, ein Paar, das keine Geheimnisse voreinander hatte.
    Dann ging Vika eines Nachts weg und ließ ihre Schwester allein zurück, und nun saß Ruth in einem Altersheim und wartete auf ihr Ende.
    Auf dem Nachttisch lag eine in schwarzes Leder gebundene Bibel. Die Heimleitung hatte die Bibeln in den Zimmern verteilt. Doch Ruth las nicht mehr, keine Romane, keine Zeitschriften, keine Zeitungen, und auch die Bibel schlug sie nicht auf. Sie langweilte sich nicht, sie musste sich nicht von sich selbst ablenken, die Erinnerungen kamen und unterhielten sie, Bilder, in die sie sich hineingleiten ließ, Sätze, denen sie wie einem Echo nachlauschte. Vika erschien, wann immer sie gerufen wurde, und auch wenn das Zusammensein mit ihr anders war als früher, so war die Schwester doch immerhin da.
    Ruth waren Gebete eingefallen, die sie als Kind hatte lernen müssen, sie waren von selber

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