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Kein Paar wie wir

Titel: Kein Paar wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Rathgeb
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Gemeinheit. Eine Unverschämtheit. Er wollte mich kleinkriegen, statt mir Mut zu machen.
    »Aber du hast es geschafft«, sagte Vika.
    Du hast dich von ihm nicht einschüchtern lassen, dachte sie. Er war ein Aufsteiger, ein Aufschneider, aber an dir hat er sich die Zähne ausgebissen.
    »Wegen der Sprachen. Die Sprachen haben mich gerettet.«
    Und mein Aussehen, dachte Ruth. Darauf setzte ich meine Hoffnungen, auf die Sprachen und auf mein gutes Aussehen. Aber ins Bett ging ich mit keinem von den Geschäftsleuten. Wenn man alt ist, lassen sie einen in Ruhe. Das ist das Glück des Alters. Ich wurde nicht mehr von ihnen bewundert, und ich brauchte ihre Bewunderung nicht mehr. Ich lebte nur noch für mich, für uns. Für niemanden sonst. Ihre Blicke fielen von mir ab wie die Blätter von einem Baum. Ich wurde nicht mehr beachtet als andere alte Frauen. Ich war eine von vielen geworden. Unscheinbar, ungesehen, wie befreit.
    »Eine gute Stellung hast du bekommen«, sagte Vika.
    Du hast dem Vater gezeigt, was in dir steckte, dachte sie. Die Töchter müssen den Vätern, die Frauen den Männern beweisen, dass sie alleine zurechtkommen, dass sie alleine leben können. Wer klug ist, der kann auf seinen eigenen Füßen stehen. Du brauchtest seine Hilfe nicht, auch nicht sein Geld. Du konntest dir dein eigenes Geld verdienen.
    »Ich arbeitete viel«, sagte Ruth.
    Ich wollte ihm beweisen, dass ich es schaffen würde, dachte sie. Und mir wollte ich es auch beweisen. Niemals wäre ich reumütig zu den Eltern zurückgekehrt. Eher hätte ich mich umgebracht. Ich hätte mich aus dem Fenster gestürzt. Ich hätte den Gashahn aufgedreht und den Kopf in den Herd gesteckt.
    »Geschuftet hast du«, sagte Vika.
    Nichts wird einem geschenkt, dachte sie. Was wir besitzen, das haben wir uns mit den eigenen Händen erarbeitet. Wir können stolz auf uns sein.
    »Ich ging um sieben Uhr früh ins Büro«, sagte Ruth. »Ich war eine der ersten. Und die langen Abende …«
    Mir durfte kein Fehler unterlaufen, dachte sie. Ich musste perfekt sein. Unangreifbar, tadellos. So eine Chance würde ich nicht noch einmal bekommen, das wusste ich sofort. Ich wollte mir diese Chance nicht nehmen lassen.
    »Die vielen Abendessen mit deinen Geschäftspartnern«, sagte Vika.
    Sie glaubten wie alle Männer, dass man ihnen ausgeliefert sei, dachte sie.
    »Sie kamen aus aller Welt, aber sie wollten von mir nur das eine«, sagte Ruth.
    Schon während des Essens überlegte ich, wie ich sie loswürde, ohne sie zu beleidigen, dachte sie. Ich durfte sie nicht vor den Kopf stoßen, sondern musste so tun, als fühlte ich mich durch ihre Komplimente geschmeichelt. Lächeln, heucheln, lügen. Für die Männer war der Abend ein erregendes Spiel, dessen Ende offen war, sie hofften, mich herumzukriegen, und ich litt die ganze Zeit unter ihrer Aufdringlichkeit. Sie hatten nichts zu verlieren, wenn es mit mir nicht klappte, dann suchten sie sich eben eine andere, und andere gab es genug. Ich durfte sie nicht einfach abblitzen lassen, denn dann waren sie beleidigt wie kleine Jungs. Sie belagerten mich, und ich musste ihnen dabei helfen, die Belagerung ehrenvoll aufzuheben. Ich fragte sie nach ihren Ehefrauen, ich erinnerte sie an ihre Kinder. Sie bedrängten mich, und ich musste, statt einfach aufzustehen und zu gehen, für sie einen Weg finden, wie sie mit erhobenem Haupt aus der Affäre kommen könnten. Ich versuchte beim Abschied freundlich zu lächeln, als täte es mir leid, ihre Erwartungen zu enttäuschen, als wäre das letzte Wort zwischen uns nicht gefallen, als würde ich sie auf ein nächstes Mal vertrösten. Sie luden mich in die besten und teuersten Restaurants zum Essen ein, aber der Abend ging auf meine Kosten, ich war ihren auffordernden schamlosen Blicken ausgeliefert, ich kam mir vor, als würde ich ihnen nackt auf einem silbernen Tablett serviert.
    »Du ließest dich von ihnen nicht einwickeln«, sagte Vika.
    Sie nahmen dich mir nicht weg, dachte sie. Kein Mann stellte sich zwischen uns.
    »Ah non.«
    Um zehn schloss die Putzfrau die Wohnungstür auf. Die Schwestern kannten sie gut, sie vertrauten ihr und hatten ihr einen Wohnungsschlüssel gegeben. Sie stellten sich zu ihr in die Küche, und die Putzfrau erzählte ihnen von ihren Kindern, ihrem Mann, von der Stimmung in der Stadt, und die beiden alten Frauen begannen ebenfalls über die politischen Zustände und die wirtschaftliche Lage des Landes zu reden, und wenn die Putzfrau mit dem Geld, das sie ihr in die

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