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Kein Paar wie wir

Titel: Kein Paar wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Rathgeb
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wollte makellos sein. Ich interessierte mich ausschließlich für meine Arbeit, meine Karriere, meine Freiheit. Ich las Zeitung und hörte Radio. Mehr unternahm ich nicht. Ich ging nicht ins Theater, in die Oper, ins Kino.
    »Deine Firma wusste, was sie an dir hatte«, sagte Vika.
    Sie sah blendend aus, dachte sie. Eine schöne junge Frau, die drei Sprachen perfekt beherrschte, ließ man nicht ziehen, die stellte man ein. Eine solche Frau war für das Geschäft ein Gewinn, vorausgesetzt, sie machte keine Fehler. Die Geschäftsessen gehörten zu ihrer Arbeit. Bald hatte sie zehn Angestellte unter sich. Sie wusste nicht, wie ihr geschah, es ging schnell, es ging wie von selbst. Von morgens bis abends war sie im Büro. Von nichts kommt nichts, sagte sie immer.
    »Mein Chef hatte ein Auge auf mich geworfen, er versuchte mit mir anzubändeln«, sagte Ruth. »Er brachte mich in eine heikle Lage.«
    Wie die Männer so sind, dachte sie. Die Frauen müssen freundlich bleiben, sonst verlieren sie ihren Job. Als Frau hat man die schlechteren Karten. Ich mochte das Spiel nicht, aber ich musste mitmachen. Er war verheiratet. Er wollte mich als seine Geliebte haben. Eine Frau für die Geschäftsreisen. Eine Frau für die Stunde nach Feierabend. Erst sollte ich mit ihm essen und dann mit ihm ins Bett gehen. Und dafür würde ich ein Armband, eine Kette, ein Kleid bekommen. Kleine Aufmerksamkeiten, Geschenke, damit die junge Frau zufrieden war. Damit sich für sie das Schattendasein als Geliebte lohnte. Damit auch sie etwas davon hatte, dass sie nur für gewisse Stunden gebraucht wurde. Damit sie nicht auf den Gedanken kam, mehr zu verlangen, eine Entscheidung. Aber da war er bei mir an die Falsche geraten.
    »Aber er kam bei dir nicht weit«, sagte Vika.
    »Ah non.«
    »Für so etwas gaben wir uns nicht her.«
    Vika sah ihre Schwester triumphierend an.
    »Niemals«, sagte Ruth.
    Für so etwas gab ich mich nicht her, dachte sie. Ich war keines dieser jungen dummen Weiber. Das war ich Vater schuldig.
    »Dein Chef schluckte es«, sagte Vika. »Ihm blieb nichts anderes übrig. Er zog den Kürzeren.«
    Er wird sich eine andere gesucht haben, dachte sie. Wer es einmal macht, der macht es wieder. Sie können es nicht lassen.
    »Er wusste, was ich wert war, was er an mir hatte«, sagte Ruth. » Er setzte mich nicht auf die Straße, nur weil ich nicht mit ihm ins Bett ging. Er nahm sich eine andere Geliebte. Immer findet sich eine andere, die bereit ist, mit ihnen ins Bett zu gehen, die sich davon etwas versprechen, die sich von den Männern etwas vormachen lassen. Ich hätte sofort einen neuen Job bekommen, wenn er mir gekündigt hätte.«
    Aber ich hatte Angst, dachte sie. Ich wollte den Job behalten. Ich hatte Glück. Er war kein schlechter Mensch. Er warf mich nicht auf die Straße. Wer hätte mit seinen Geschäftspartnern essen gehen sollen, wenn nicht ich. Er konnte auf mich nicht verzichten.
    »Mit allen konntest du gut umgehen«, sagte Vika.
    »Mit allen.«
    »Die Männer schwänzelten um dich herum.«
    Die Männer schwänzelten um mich herum, dachte Ruth, sie gaben keine Ruhe. Sie waren charmant und aufdringlich. Sie ließen nicht locker, bis sie merkten, dass ich anders war als die Frauen, die sie kannten. Dass ich mich nicht für ihr Vergnügen hergeben mochte. Dass ich nicht nur hübsch, sondern auch klug war. Das verunsicherte sie.
    Sie schwiegen. Die Sonne schien, und sie saßen in ihrer Höhle, in ihrem Schattenreich.
    »Vater betrog die Mutter nach Strich und Faden«, sagte Ruth.
    Er gabelte sich Frauen auf, dachte sie. Junge Frauen, denen er mit seinem großen Auto imponierte.
    »Mutter ahnte davon nichts«, sagte Vika. »Er ging mit anderen Frauen fremd, und sie saß zuhause in ihrem Sessel und stickte deutsche Wappen.«
    Sie träumte von ihrem Dorf, das sie hatte verlassen müssen, dachte sie, und wohin sie nicht zurückkommen würde, weil Vater nicht zurückkehren wollte. Dann begann der Krieg, und nach dem Krieg war in Deutschland alles zerstört. Es muss dort furchtbar ausgesehen haben. Die zerbombten Städte.
    »Sonntags gingen die Eltern in die Kirche, unter der Woche ging er mit anderen Frauen ins Bett«, sagte Ruth.
    »Der Heuchler«, sagte Vika.
    Uns ermahnte er zur Zurückhaltung, sobald wir mit Freunden etwas unternahmen, dachten sie. Am liebsten hätte er uns verboten, das Haus zu verlassen. Und er selbst nahm jede Gelegenheit wahr, um sein Vergnügen zu haben. Er führte ein Doppelleben. Aber auch Mutter

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