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Kein Paar wie wir

Titel: Kein Paar wie wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Rathgeb
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musste, dachte er, Ruhe bewahren, sich auf die Macht der Realitäten verlassen, die seiner Tochter die Flausen austreiben würden, er musste das Gespräch abbrechen.
    »Von mir bekommst du kein Geld. Glaube das bloß nicht.«
    »Ich werde Geld verdienen.«
    »Wie?«, brauste er erneut auf. »Wie willst du Geld verdienen?«
    »Ich werde eine Arbeit finden«, beharrte sie.
    »Nichts wirst du finden«, warf er zurück.
    »Doch.«
    Da schnellte er wider seinen Willen aus seinem Stuhl, wutentbrannt, schnaubend. Er mochte keinen Widerspruch von seiner Tochter dulden.
    »Bei deinen Eltern wirst du bleiben. Zum allerletzten Mal, du bleibst hier.«
    »Ich werde gehen.«
    Ich werde gehen, dachte sie. Es ist entschieden. Du wirst mich nicht zurückhalten.
    Er glühte vor Zorn. Er würde sie demütigen, dachte er. Er würde sie um Verzeihung betteln lassen, er würde sie bestrafen.
    »Du besitzt die Frechheit, mir ins Gesicht zu sagen, dass du von uns weggehen willst?«
    Er war außer sich, tobte.
    »Ich werde gehen«, wiederholte sie. »Versteh mich doch. Ich möchte mein eigenes Leben führen.«
    Seine kreischende Stimme trug ihn empor, es sah aus, als würde er sich gleich auf sie stürzen und sie vernichten.
    »Du lässt deine Eltern im Stich?«
    »Ich werde gehen.«
    »Und deine arme Mutter? Du kennst wohl die Pflichten nicht, die du deiner Mutter gegenüber hast.«
    »Ich werde gehen.«
    »Wie oft willst du mir das noch sagen?«
    Er schwang die Faust und ließ sie auf den Tisch krachen.
    »Bis du …«
    »Ja?«, fragte er drohend.
    » … mir glaubst.«
    Ihr Herz klopfte wild. Das Blut schoss durch ihre Adern. Sie musste, dachte sie, ganz rot im Gesicht sein.
    »Und wann?«
    »Morgen.«
    Sie glaubte es selber nicht. Der Tag, an dem sie weggehen würde, schien einer anderen Zeit anzugehören. Das Heute war mit dem Morgen nicht verbunden.
    Sie ist verrückt geworden, dachte er. Völlig verrückt. Ich habe eine Irre als Tochter. Sie weiß nicht, was sie redet.
    »Kein Wort mehr«, sagte er, warf die Serviette auf den Tisch und verließ das Zimmer.
    Die Mutter weinte.
    Vika schaute ihre Schwester bewundernd an. Ruth zitterte. Sie hatte gesagt, was sie sich vorgenommen hatte. Ihr Leben hatte begonnen. Tief in ihr brach ein Jubel aus.
    Sie stand vorsichtig auf, ging in ihr Zimmer, schloss die Tür und ließ sich auf das Bett fallen, wo sie vor Erschöpfung und Freude zu weinen begann. Vika folgte ihr. Den Vater sahen die beiden Schwestern an diesem Tag nicht mehr.
    Am nächsten Morgen ging er grußlos aus dem Haus, fest davon überzeugt, dass seine Tochter ihre Eltern nicht verlassen und das gemeinsame Leben gewohnt weitergehen würde.
    Dann kam die Stunde der Abreise. Die Mutter stand im Flur, als Ruth mit einem Koffer in der Hand die Treppe herunterkam. Vika wich nicht von der Seite ihrer Schwester.
    »Du gehst?«, fragte die Mutter.
    »Ja, Mutter, ich gehe«, sagte Ruth.
    Da drehte sich die Mutter um und verschwand in den dunklen Tiefen des Hauses.
    Die Schwestern fuhren zum Flughafen. Sie lagen sich in den Armen, weinten und küssten sich.
    »Pass auf dich auf«, sagte Vika.
    Dass du bloß gesund bleibst, dass dir nur nichts geschieht, dachte sie.
    »Halte die Ohren steif«, sagte Ruth.
    Sei mutig, versuche durchzuhalten, auch wenn es schwer ist, dachte sie.
    »Schreib mir«, sagte Vika.
    Ich möchte nicht alleine bei den Eltern bleiben, dachte sie. Ich möchte mit dir gehen.
    »Ich werde dich vermissen«, sagte Ruth.
    Ich werde die Zähne zusammenbeißen, weil ich dich so vermissen werde, dachte sie. Wenn wir nur zusammen wegfahren könnten.
    »Ich dich auch«, sagte Vika.
    Ich werde die ganze Zeit an dich denken, dachte sie. Wenn ich nur mit dir fahren könnte.
    »Noch nie waren wir getrennt«, sagte Ruth.
    Was werde ich ohne dich machen, dachte sie.
    »Ich komme bald nach«, sagte Vika.
    Wie soll ich die Eltern ohne dich aushalten, dachte sie. Die Vorwürfe des Vaters, die Blicke der Mutter.
    »Wir werden wieder zusammen sein, ich hole dich zu mir nach New York.«
    Wir gehören zusammen, dachten sie. Nichts und niemand wird uns trennen. Wir werden uns jeden Tag schreiben, wir werden jeden Tag miteinander telefonieren, wir werden die Tage zählen, bis wir wieder zusammen sind.
    Dann umarmten sie sich ein letztes Mal.
    Als Vika am Abend von der Universität nach Hause kam, war der Vater aus der Firma noch nicht zurückgekehrt und die Mutter lag hinter verschlossener Tür in ihrem Bett. Sie machte sich in der Küche etwas zu

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