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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Guenter
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war... Melica seufzte leise und machte kehrt. Das gönnerhafte Lächeln, das ihr Gregor daraufhin schenkte, schmerzte zwar, doch sie hatte schon Schlimmeres ertragen. Sie ging los. Ob Gregor Schritt halten konnte oder nicht, war ihr herzlich egal. Sie würde ihre Pflicht tun. Die Hauptsache war, dass Gregor nicht auf die Idee kam, sie aus dem Antrum zu verstoßen. Denn dann wäre sie so richtig verloren.
    Doch sie hatten kein Glück. In der Eingangshalle war keine Spur von Isak oder Timon zu entdecken. Stattdessen rannten Paula und Liam an ihnen vorbei, beide breit grinsend. Sogar das Lächeln des kleinen Jungen wirkte traurig, doch Melicas Herz machte einen Satz, als sie seine Augen sah. Sie leuchteten, hell und strahlend.
    Stolz stieg in ihr auf. Stolz auf ihre Schwester, der es gelungen war, eine solche Veränderung zu bewirken. Die Kleine hatte schon immer etwas besessen, das unleugbar magisch war.
    „ Dürfte ich wohl erfahren, was das dort für ein Kind ist?“, fragte Gregor schneidend. Schien ihm gar nicht so gut zu gefallen, einmal nicht über alles und jeden informiert zu sein. Melica hatte kein Mitleid. Vielleicht verstand er ja jetzt, wie sie sich seit Monaten fühlte.
    „ Das ist meine Schwester“, antwortete Melica ernst.„Paula. Ihr Gedächtnis ist nicht mehr das Jüngste, nicht wahr?“
    Etwas musste man Gregor zugutehalten. Er schaffte es, vollkommen ruhig zu bleiben. „Ich spreche von dem Jungen.“
    „ Achso“, sagte Melica überrascht. „Den kenne ich nicht. Timon hat ihn gefunden.“
    „ Gefunden“, wiederholte Gregor ungläubig. Er schüttelte den Kopf. „Sie meinen, er habe ihn entführt?“
    „ Ich habe keine Ahnung. Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich total nutzlos bin.“
    Schnelle Schritte. Jemand rannte auf sie zu. Sekunden später stürmte Yvonne in die Eingangshalle. Ihr Gesicht war angespannt, die Haare wild zersaust. „Habt ihr die Kinder gesehen?“, fragte sie und ein Hauch von Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit.
    „ Du hast die beiden verloren? Du bist ja eine tolle Aufpasserin“, spottete Melica leise.
    „ Wir spielen Verstecken! Da ist es ganz normal, die anderen zu verlieren!“, gab Yvonne patzig zurück und stemmte die Hände in die Hüfte. „Also. Hast du die beiden gesehen oder nicht?“
    „ Ist es nicht der Sinn dieses Spiels, die anderen Mitspieler selbstständig zu finden? Es wäre nicht sonderlich regelkonform, wenn der Suchende Hinweise von Außenstehenden annehmen würde. Oder irre ich mich in dieser Hinsicht?“
    Ein Funken von Anerkennung flammte in Melica auf, so kurz und schwach, dass er sofort wieder verglühte. Dennoch wusste sie, dass er da gewesen war. Sprach nicht gerade für ihren Charakter, dass sie sich darüber amüsierte, wenn irgendjemand gegen ihre beste Freundin stichelte. Allerdings war ihr Charakter sowieso egal, wenn sie bald sterben würde.
    Yvonne schleuderte Melica einen beleidigten Blick entgegen, ignorierte Gregor und verließ die Eingangshalle durch das Tor, durch das auch Liam und Paula verschwunden waren. Gregor schritt ebenfalls davon. Ohne ein Wort.
    Sprachlos sah Melica ihm nach. Warum genau hatte sie ihm noch einmal hierher folgen müssen? Kopfschüttelnd setzte sie sich in Bewegung. Blieb nach einigen Sekunden jedoch verwirrt stehen, als plötzlich Gregors Stimme, etwa fünfmal verstärkt, an ihre Ohren drang. „Ich bitte die Dämonen Timon, Stefan, Melica und Renate in mein Büro. Ich erwarte Vollzähligkeit.“
    Erst der komische Speisesaal und jetzt diese Lautsprecherdurchsagen – sah ganz so aus, als hätte irgendjemand eine geheime Vorliebe für schlechte amerikanische Teeniefilme. Wahrscheinlich Gregor. Passte auch zu ihm.
    Der Weg zu Gregors Büro erinnerte sie an die unzähligen Male, an denen sie zum Direktor an ihrer alten Schule zitiert worden war. Nun ja. „Unzählig“ traf es vielleicht nicht ganz. Genau genommen war es ganze zwei Mal vorgekommen. Und an beiden Tagen war es Jim gewesen, der die Schuld an ihrer beider Taten auf sich genommen hatte. Er hatte verhindern wollen, dass ihre weiße Weste beschmutzt wurde. Bedauerlich, dass all seine Mühen umsonst gewesen waren.
    Unglücklich pochte Melica an die Tür. Als niemand antwortete, versuchte sie es erneut. Erfolglos. Ein genervtes Stöhnen verließ ihre Lippen und sie lehnte ihre Stirn gegen das glatte Holz. Schloss die Augen. Lange würde sie dieses Theater nicht mehr aushalten. Die ihr schon früher so verhassten, unsichtbaren Männer waren

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