Kein Schatten ohne Licht
anderen beiden gerade mitgeteilt, dass wir Diana mit einer solchen Arbeitseinstellung niemals besiegen können“, teilte Gregor dem Nayiga zähneknirschend mit.
„ Da irrst du dich“, widersprach Timon und lachte leise. „Ihr irrt euch alle. Diana hat keine Chance.“
War das der gleiche Mann, der vor einem Tag noch lautstark verkündet hatte, dass sie alle erbarmungslos untergehen würden? Melica war nicht die Einzige, die ihn verblüfft ansah und sie war auch nicht diejenige mit dem überzeugendsten Gesichtsausdruck. Die Rolle übernahm Gregor und er spielte sie wirklich mit Bravour. „Was weißt du, was wir nicht wissen?“, fragte er und blinzelte heftig.
„ Ich habe den kleinen Jungen nicht einfach so mitgenommen“, begann Timon. „Er ist nicht irgendjemand. Er ist jemand Wichtiges. Jemand, den Luzius unbedingt will. Und den er seit Jahrtausenden sucht.“
Isak reagierte mit Argwohn, Renate mit Verblüffung, Gregor mit Ungläubigkeit. Melica reagierte auch. „Hä?“
Timon schenkte ihr ein breites Grinsen. „Liam ist der letzte Nachfahre Kains.“
Wow. Das war... wirklich unglaublich. Niemals hätte sie damit gerechnet! Sie verstand nämlich kein Wort. Offensichtlich ganz im Gegensatz zu den anderen drei Dämonen in diesem Büro. Diese sahen aus, als hätte Timon gerade verkündet, der Himmel wäre nicht blau, sondern blassrosa.
„ Ist das dein Ernst?“, fragte Renate und schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich dachte, dass das Wissen, wo er steckt, längst verloren ist.“
„ Vor etwa vier Jahrhunderten fiel meiner Familie die Aufgabe zu, für die Kainfamilie zu sorgen. Das Wissen ging von Generation zu Generation. Inzwischen sind es nur noch mein Bruder und ich, die eine Ahnung davon haben, wo sie sich befinden. Wir haben es niemandem gesagt. Keiner außer uns weiß, wer sie sein könnten. Eigentlich wäre Liam sicher gewesen. Doch so wie es aussieht, hat Diana von uns erfahren. So nst kann ich mir nicht erklären, warum sie meinen Bruder entführen sollte. Ich weiß, dass Taro erst einmal dichthalten wird, doch irgendwann werden sie ihn brechen. Deshalb habe ich Liam mitgebracht. Hier ist er in Sicherheit.“
Deshalb hatte er also gewusst, welche Hautfarbe der Mann in Tunesien gehabt hatte. Er war sein Bruder. Trotzdem gab es noch so vieles, das Melica nicht verstand. „Wer ist Kain und was will Luzius von seinem Nachfahren?“, fragte sie verwirrt.
Und erntete dafür mindestens genauso verwirrte Blicke. „Du weißt nicht, wer Kain ist?“, fragte Timon verwundert.
„ Wenn ich es wüsste, hätte ich wohl kaum gefragt!“
„ Das ist unglaublich“, sagte Timon kopfschüttelnd. „Warst du noch nie in einer Kirche oder was?“
Oh.
Der Kain also.
„ Hätte nicht gedacht, dass der Dämon aus der Hölle sonderlich gläubig ist“, flüsterte sie leise.
„ Er ist ein Dämon! Natürlich ist er gläubig!“, entgegnete Gregor harsch.
Melica verstand den Zusammenhang nicht so ganz. „Ihr wollt mir also erzählen, dass Luzius an Gott glaubt?“, fragte sie deshalb langsam.
„ Ja“, sagte Renate.
„ Wir sprechen aber schon vom gleichen Luzius, oder?“ Nur, um noch einmal ganz sicher zu gehen...
„ Es gibt nur einen Luzius.“
„ Achso.“ Melica wurde still. Löste ihre Gedanken von den schweren Ketten und ließ ihnen freien Lauf. Luzius, der furchteinflößende Dämon, war Christ. Der, der die gesamte Menschheit ausräuchern wollte, war ein typischer Kirchengänger. War das wirklich krank oder bildete sie sich das nur ein? Sie hätte es niemals für möglich gehalten, dass ausgerechnet Dämonen, die gottlosen Wesen, so etwas wie eine Religion ausüben könnten. Das, was sie dort gehört hatte, verwirrte sie vollkommen. Doch es gab etwas, das sie sogar noch mehr verwirrte. „Was hat Liam damit zu tun?“
„ Es ist allgemein bekannt, dass Luzius Kain gehasst hat“, erklärte Isak ruhig. „Wenn Liam also der letzte Nachfolger Kains ist, wird Luzius ihn finden wollen.“
„ Er ist wie besessen davon, Rache zu nehmen“, sinnierte Gregor leise, ohne auch nur irgendjemanden von ihnen anzusehen. „Er wird vollkommen außer sich sein, wenn er erfährt, dass wir ihn in unserer Gewalt haben.“
„ Es kommt sogar noch besser“, sagte Timon. „Luzius stellt eine einzige Forderung. Wer diese erfüllt, dem dient er für immer. Und jetzt ratet einmal, was er will.“
„ Den Jungen“, murmelte Gregor. Er blickte Timon argwöhnisch an. „Wie kommt es, dass niemand davon
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