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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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konnte nicht im Mordfall Giampieri ermitteln, als wäre es ein x-beliebiger Fall. Dass er seine Fähigkeiten als Ermittler einsetzte, der Prozedur folgte, |384| hieß nicht, dass er seinen Freund wie ein Stück Schlachtvieh behandeln konnte.
    Er schaute auf die Uhr. Wahrscheinlich würde der Doktor erst sehr spät fertig werden, es war keine gute Idee, so lange zu warten und sich noch eine Nacht um die Ohren zu schlagen. Die Wahrheit wurde immer verwickelter, und um zum Kern vorzudringen, musste man wieder ganz von vorne beginnen. Dazu musste Luciani klar denken können und sich ein wenig erholen. »Ich komme morgen früh wieder«, sagte er. Er verließ das San-Martino-Hospital und ging Richtung Stadtzentrum. Er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wann er das letzte Mal etwas gegessen hatte, aber er spürte nicht den geringsten Hunger, hatte vielmehr das Gefühl, dass der Appetit so schnell nicht wiederkommen würde. Er fragte sich immer wieder, wer Nicola verraten haben mochte, warum Barbara ihrem Mörder die Tür geöffnet hatte. Oft kennen die Menschen, die uns am nächsten stehen, denen wir vertrauen, uns so gut, dass sie es nicht erwarten können, uns loszuwerden.
     
    Er kam nach Hause zurück, setzte einen Tee auf und hörte den Anrufbeantworter ab, doch es waren keine Nachrichten darauf. Ihm kam der Verdacht, dass seine Mutter es womöglich über sein Handy probiert hatte, und so zog er es aus der Sakkotasche. Kaum war es angeschaltet, hörte er schon das »Biep-biep« einer SMS. Als er auf dem Display Giampieris Namen las, wurden seine Knie weich, und sein Herz machte einen Sprung. Nicola lebt, dachte er und ließ sich auf einer Woge absurder Freude wegtragen. Nicola hat seinen Tod inszeniert, klar, mit Unterstützung von … Er hielt inne. Er hatte ihn mit eigenen Augen gesehen, auf dem Seziertisch. Diese SMS war nur ein bitterer Scherz, sie kam jetzt, aber wer wusste, wann sie abgeschickt worden war. Ihm wurde klar, dass er das Handy schon ewig |385| nicht mehr eingeschaltet hatte. Seit wann eigentlich? Vielleicht seit dem Begräbnis des Vaters, vielleicht gar schon seit dem Abend davor. Seit dem Abend, an dem sein Stellvertreter gestorben war.
    »Computer Ameri 7.58 Uhr gebootet. Dann automatisches Booting 8.27 Uhr. Blues Brothers im Einsatz. Eben erfahre ich das mit deinem Vater. Tut mir wirklich leid. Es umarmt dich: Nicola.«
    Er hatte sich aufs Sofa gesetzt, ohne es zu merken, sein Mund stand offen, der Blick war ins Leere gerichtet. Diese wenigen Zeilen bestätigten all seine Vorbehalte in diesem Fall. Die Präsenz der Blues Brothers, wie sie in ihrem Jargon die Geheimdienstleute nannten, bewies, dass sehr viel auf dem Spiel stand. Nicolas Ängste warfen ein obskures Licht auf seinen Tod. Auch die Zeitumstände von Barbaras Tod mussten überdacht werden. Und damit alle Alibis. Wer bereits entlastet worden war, konnte wieder in den Kreis der Verdächtigen rücken.
    Der Kommissar stand mit Mühe wieder auf. Seine Hände zitterten, er musste sich beruhigen und seine Gedanken ordnen. Er bereitete den Tee zu und nahm ihn, nachdem er drei Löffel Zucker hineingeschaufelt hatte, mit aufs Sofa.
     
    »Zucker?«
    »Eineinhalb Löffel, danke.«
    Sie saßen in einer Bar, einander gegenüber. Jacky lächelte schief, starrte ins Leere, während er mit einem Finger immer wieder über den Rand der Tasse strich. Barbara hatte sich weit nach hinten gelehnt und hielt das Gleichgewicht, indem sie sich mit beiden Händen an ihre Teetasse klammerte.
    »Wir müssen es tun, verstehst du? Wir machen uns allmählich lächerlich. Früher mag das noch einen Sinn gehabt haben, aber in unserem Alter ist es kein Wert mehr, sondern Ballast.«
    |386|
»Leicht gesagt. Nur im entscheidenden Augenblick … Ich dachte auch diesmal, ich würde es schaffen, aber im letzten Moment hat mir der Mut gefehlt.«
    Sie wussten alles voneinander. Über ihre platonischen Beziehungen, ihren Liebeskummer, ihre unumstößlichen Entschlüsse, auf die in letzter Sekunde doch wieder die Flucht gefolgt war.
    »Weißt du, es kann auch sein, dass Sex für uns einfach nicht das Richtige ist, schlicht und ergreifend. Wenn wir es bisher nicht getan haben, wird das seinen Grund haben. Vielleicht haben wir irgendeine Erbkrankheit oder was weiß ich, und damit wir die nicht auf die Kinder übertragen, hält die Natur uns rein.«
    »Ich glaube nicht, dass ich Kinder haben könnte, wovon redest du? Nicht bei dem Sex, der mir vorschwebt.«
    Sie lachten. Zum

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