Kein Schlaf für Commissario Luciani
Glück konnten sie sich immer wieder in ihre Selbstironie retten, und in ihr Einvernehmen.
Jacky hob den Blick, er unterbrach die kreisende Bewegung am Tassenrand und schaute sie an. Nur mit dir könnte ich es tun, dachte er. Nur mit dir, aber inzwischen sind wir wie Bruder und Schwester, und wie kann ich, wie kann ich auch nur auf die Idee kommen, dir so etwas anzutragen? Wie kann ich riskieren, den einzigen Menschen zu verlieren, der mich je verstanden hat?
Barbara fing seinen sonderbaren Blick auf. Eine Frage von einer Sekunde, nicht mehr, dann erlosch der Glanz in seinen Augen, er war wieder der Freund, der eine gute Freundin anschaut. Wir sind schon seit so vielen Jahren gute Freunde, dachte sie, es wäre fast Inzest, wenn wir es täten. Ich könnte es sogar schaffen, warum nicht? Das Problem ist: Was passiert danach? Ich würde es nicht ertragen, wenn er sich veränderte, wenn sich der einzige Freund, den ich habe, in einen x-beliebigen Macho-Arsch verwandeln würde.
»Hör mal, hier werden wir nie auf einen grünen Zweig
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kommen. Und wenn wir auf Reisen gingen? Vielleicht könnten wir da … die Blockade lösen.«
»Eine Reise?«
»Ja. Lass uns wegfahren, weit weg von allem.«
»Und wohin?«
»Ich dachte an eine Kreuzfahrt.«
»Schön wär’s. Eine Kreuzfahrt. Mit Swimmingpool, Sauna, die Frischvermählten auf Flitterwochen, die Rentner im Smoking, Kitsch in Reinkultur. Ein Traum. Aber ich schätze, das kostet ein Heidengeld.«
»Das ist nicht gesagt. Ich hab da eine Sache, wenn die gutgeht …«
Barbara hob den Blick. Einen Moment lang hatte sie gemeint, draußen vor der Glasscheibe ihren Onkel zu sehen.
|388| Dienstag
Luciani & Calabrò
»Klassische Überdosis. In der Beziehung habe ich keine Zweifel. Ein Schockzustand aller Hauptorgane. Jetzt müssen wir herausfinden, warum es passiert ist.« Doktor Vassallo saß im Korridor und rauchte, genau unter dem Schild »Rauchen verboten«. Er und Luciani waren allein. Giampieris Leiche, die ausgenommen und wieder zugenäht war, ruhte in der Kühlzelle und wartete auf die Freigabe für die Bestattung.
»Hatten Sie nicht aufgehört?«, fragte der Kommissar und deutete auf die Zigarette.
»Gestern habe ich wieder angefangen.«
Sie schwiegen einen Moment, dann fing der Gerichtsmediziner wieder zu sprechen an: »Bei Heroin gibt es für jeden eine individuelle Toleranzschwelle. Normalerweise stirbt man an einer Überdosis, wie Sie wissen, wenn der Stoff im Vergleich zu den Konsumgewohnheiten zu rein ist oder wenn man sich nach einer Phase der Abstinenz wieder den ersten Schuss setzt und der Körper die einstige Dosis nicht mehr verträgt.«
»Und in Nicolas Fall?«
»In Nicolas Fall weiß ich es nicht. Ich werde die Heroinqualität analysieren müssen, außerdem Blut und Urin, herausfinden, ob er schon länger fixte, was ich annehme … wenn auch nicht häufig. Wichtig wäre da eine Haaranalyse, allerdings dauert die länger. Klar, wenn ihr den Dealer aufstöbern könntet, dann …«
»Den finden wir, Dottore«, zischte der Kommissar, »in der Beziehung gibt es keine Zweifel.«
|389| Vassallo nickte. »Es gibt interessante Hinweise, die Ihnen bei den Nachforschungen helfen können. Nicola ist wahrscheinlich Samstagnacht gestorben, die genaue Uhrzeit kann ich Ihnen nicht sagen, aber ungefähr zwei Stunden nach dem Abendessen. Er hatte ein wenig getrunken, aber nicht unmäßig. Wenn ich einen Rest des Getränkes hätte, zum Beispiel die Neige der Flasche, könnte mir das weiterhelfen.«
»Er war nicht der Typ, der allein trinkt«, sagte der Kommissar. Dann dachte er, dass er auch nicht der Typ war, der Drogen nimmt, und fügte hinzu: »Glaube ich zumindest.«
»Dass er mit jemandem zusammen war, ist sicher. Ich habe Spuren von Sexualkontakt gefunden, es kam zum Geschlechtsverkehr.«
Marco Luciani runzelte die Augenbrauen. »In seiner Wohnung war von all dem keine Spur. Weder Speisereste im Mülleimer noch Hinweise auf den Besuch einer Frau.«
»Ich weiß. Wahrscheinlich hat er bei ihr gegessen und … den Beischlaf gehabt, und ist dann nach Hause zurückgekehrt.«
Der Kommissar dachte daran, wie oft er, nachdem er mit einer Zufallsbekanntschaft im Bett gelandet war, am liebsten nach Hause gegangen wäre. Du kannst nicht bei einem Menschen schlafen, wenn du nicht in ihn verliebt bist. Vielleicht musste Nicola aber auch ganz einfach das Bett räumen, ehe der rechtmäßige Bewohner zurückkehrte.
»Womöglich hatte er Sex mit jemandem, der ihm
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