Kein Schlaf für Commissario Luciani
voller Spezialeffekte. Nicola kopierte sie oder ließ sie sich von jemandem kopieren, komisch, dass er sie nicht direkt aus dem Netz herunterlud. Für jemanden, der so gut mit Computern umgehen konnte, ein Kinderspiel.
Der Widerspruch ließ ihn aufmerken.
Er drehte sich um und betrachtete den DVD-Player. Dann die Regalreihe mit den Kassetten. Dann wieder den Player. Was machte Giampieri nur mit all den Videokassetten, wenn er einen DVD-Player hatte?
Der Kommissar wäre am liebsten auf die Dienststelle gegangen, aber er wollte sich lieber nicht blicken lassen. Denn wer auch immer Giampieri überwacht hatte, er sollte nicht mitkriegen, dass Luciani die Ermittlungen weiterführte, und sein Auftauchen würde ihn alarmieren. Er kehrte nach Hause zurück und blätterte zum wiederholten Mal die Berichte und Protokolle durch, verglich erneut, wann und wo sich die Verdächtigen aufgehalten hatten, als der Computer gebootet wurde.
Calabrò öffnete eine beliebige Hülle: Es befand sich eine schwarze Kassette darin, alles schien in Ordnung, doch als er sie in die Hand nahm, öffnete sie sich. Er nahm die nächste |393| Hülle, öffnete sie – auch diese Kassette war kaputt. Irgendjemand hatte sie geöffnet, jemand, der etwas suchte. Wer mochte Nicolas Wohnung betreten haben? Und was hatte er gesucht? Aber hier war alles zu ordentlich, ein Dieb oder ein Spion hätte weder Zeit noch Gelegenheit gehabt, alles so peinlich genau zu durchsuchen und dann wieder aufzuräumen. Er schaute sich die offenen Kassetten genauer an und entdeckte an einer ein feines weißes Pulver. Er nahm das Handy und rief die Spurensicherung an. Sie sollten zurückkommen und von jeder einzelnen Videokassette die Fingerabdrücke nehmen.
Maurizio Merli. Giacomo Carrisi. Giulio Mantero. Rita Valenti. Pietro Garaventa. Marco und Giorgio Turone. Der Kommissar schrieb Namen und Alibis der Verdächtigen auf ein Blatt, um sie mit den neuen von Giampieri ermittelten Zeitangaben abzugleichen. Wenn Barbara schon um acht Uhr oder wenige Minuten danach überfallen worden war, dann kam jeder von ihnen als Täter in Frage. Aber zuerst einmal war festzustellen, ob der Computer von ihr oder dem Mörder angeschaltet worden war, und was der Betreffende suchte.
Wieder und wieder dachte er an die Aussage Marco Turones, der behauptete, er habe sie nach der Uhrzeit gefragt und als Antwort »halb neun« bekommen. Vielleicht log der Bursche, aber vielleicht hatte Barbara das wirklich gesagt, aus Gewohnheit oder um ihren außerplanmäßigen Besuch im Büro zu verschleiern. Wenn die Mutter des Brokers sie am Samstagmorgen überrascht hatte, dann schien plausibel, dass sie am Montag früher gekommen war, um die geheimnisvolle Arbeit zu beenden, die sie angefangen hatte.
Das Läuten des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken.
»Spitzenarbeit, Calabrò«, sagte er, »ich komme sofort.«
|394| »Wie viele Kassetten waren es insgesamt?«
»Siebenundvierzig.«
»Das heißt, die Sache lief schon seit fast einem Jahr.«
Calabrò schien verblüfft. »Wie kommen Sie darauf?«
Luciani zuckte mit den Achseln. »Ist nur so eine Idee.
Meiner Meinung nach setzte Nicola sich einmal in der Woche einen Schuss. Samstagabends. Wenn er es öfter getan hätte, wäre uns das aufgefallen. An manchen Tagen arbeiteten wir von morgens bis abends in direktem Kontakt zueinander, und ich habe nie etwas bemerkt.«
»Ich auch nicht.«
»Und dann war sonst kein Stoff in der Wohnung. Er hatte keine Vorräte. Wahrscheinlich besorgte er sich jeweils nur einen Schuss.«
»Samstags.«
»Genau. Am Samstagabend haben wir fast immer frei. Um ehrlich zu sein, ich dachte, er zöge mit einem Mädchen um die Häuser, stattdessen schien er sich lieber so zu amüsieren.«
»Nun, letzten Samstag hat er nichts ausgelassen«, sagte Calabrò, »sex and drugs and Rock’n’Roll.«
Marco Luciani schaute ihn missbilligend an.
»Verzeihung. Ich kann mir einfach ein Urteil nicht verkneifen.«
Der Kommissar schaute seinen Inspektor an, ein Mann aus einem Guss, korrekt und zuverlässig bei der Arbeit, verheiratet mit einer soliden Frau, Vater zweier Kinder.
»Jeder sucht sich seinen eigenen Lebensstil, Calabrò.«
Polizeichef Iaquinta stand auf und lockerte ein wenig die Krawatte. Dann hob er den Hörer ab, um den Anruf aus Rom entgegenzunehmen.
»Herr Minister, zu Ihren Diensten.«
Als er wieder auflegte, fühlte er sich zwanzig Kilo leichter |395| und zwanzig Jahre jünger. Er öffnete das Fenster
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