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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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schniefen an. Als sie ihre Tränen mit den Fingern trocknen wollte, zückte der Kommissar ein Taschentuch und reichte es ihr. »Das ist sauber.« Das waren nicht nur die Tränen einer guten Bekannten. Zwischen ihnen war mehr gewesen, oder es bahnte sich etwas an. Als Amalia sich wieder ein wenig gefangen hatte, schnäuzte sie sich und sagte: »Ich wasche es und bringe es Ihnen zurück.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung, wie um zu sagen, du kannst es behalten.
     
    Da ist die Nummer zwei, dachte der Kommissar, als er sie, ihren Hüftschwung bewundernd, in die Kirche treten sah. Zwei Frauen weinten um Giampieri, auch wenn keine von beiden Exklusivrechte anzumelden schien. Da bemerkte er Stefania Boemi, die in einer der hinteren Reihen neben ihrer Kollegin stand, deren Namen Luciani vergessen hatte. Die beiden hielten sich an der Hand, und Marco Luciani fragte sich, ob das mehr als freundschaftlicher Trost war. Für die Männerwelt wäre das jedenfalls ein herber Verlust, dachte er, während er Stefanias Erscheinung bewunderte. In der Uniform kam sie nicht voll zur Geltung, aber wenn man das feine Profil des Gesichts betrachtete, ihr Haar, das im Gegenlicht des Portals golden schimmerte, die Ideallinie ihres Körpers, dann konnte sie nur Nicolas Typ gewesen sein, und nicht nur Nicolas … Ob zwischen den beiden etwas gewesen war? Aber wenn am Samstagabend etwas gelaufen war, dann war Nicola nicht ganz bei Trost. Wie konnte er anschließend allein nach Hause zurückkehren? Luciani trat auf die Mädchen zu und legte jeder eine Hand auf die Schulter. Nadia wurde steif, misstrauisch, Stefania dagegen leistete überhaupt keinen Widerstand, sie ließ sich über das Haar streichen, während der Kommissar ihr zuflüsterte, sie solle den Mut nicht verlieren.
    |404| Er nahm wieder Haltung an, als der Leichenwagen kam. Der Priester trat aus der Kirche, um den Sarg zu segnen, und der Kommissar folgte ihm auf den Vorplatz. Die Totengräber hoben den Sarg hoch und gaben ihn an die Beamten der Mordkommission weiter. Marco Luciani blieb auf Abstand, weil er wusste, dass er die anderen mit seinen zwei Metern aus dem Gleichgewicht bringen würde. Als er wieder in die Kirche gehen wollte, sah er die Person, die er unbewusst seit Stunden, vielleicht seit Tagen erwartet hatte, seit sie wie ein Geist auf dem Begräbnis seines Vaters erschienen und wie ein Geist wieder verschwunden war.
    Sofia Lanni stolzierte mit der Klasse eines Mannequins heran, ihr Gang wurde nur durch die hochhackigen Schuhe und den langen Rock etwas behindert. Sie hatte ihr braunes Haar ganz kurz schneiden lassen, und das machte sie, falls das möglich war, noch attraktiver: Nun lenkte gar nichts mehr von dem perfekten Schnitt ihres Gesichtes ab, von dem leicht geöffneten Mund, den grasgrünen Augen, die sich in Lucianis Gedächtnis eingebrannt hatten.
    Er war versucht, einzutreten und so zu tun, als hätte er sie nicht gesehen, aber noch einmal konnte er nicht davonlaufen. Außerdem durfte er keine Spur außer Acht lassen, so abwegig sie erschien.
    »Guten Tag, Herr Kommissar.«
    »Guten Tag, Sofia.«
    »Mittlerweile sehen wir uns nur noch bei Beerdigungen.«
    »Stimmt. Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu treffen.«
    »Ich mochte Nicola gerne. Ein anständiger Junge, wirklich. Intelligent und großzügig. Und sehr sympathisch. Aber das weißt du ja besser als ich.«
    Marco Luciani wusste, dass sie nichts von ungefähr tat. Wenn sie zur Beerdigung kam, hieß das, sie stand Giampieri näher als gedacht. Oder sie wollte den Kommissar, aus irgendeinem obskuren Grund, wiedersehen.
    |405| »Du bist blass. Und noch dünner als sonst. Der Bart steht dir aber gut«, sagte sie mit gedämpfter Stimme, wobei sie sich eine Zigarette ansteckte. Das war ihre Stimme für die zärtlichsten Momente, und einen Augenblick lang ließ er sich davon einlullen.
    »Das ist keine besonders angenehme Zeit für mich. Zwei Beerdigungen innerhalb weniger Tage.«
    Und mindestens zwei Tote, wenn nicht drei, deren Ableben geklärt werden musste.
    Die Orgel spielte das »Requiem«, und sie senkte den Kopf.
    »Es geht los. Wollen wir reingehen?«
    »Ja, ich komme gleich.«
    »Sehen wir uns später«, sagte sie, und vielleicht war es eine Frage. Er kniff die Lider ein bisschen zusammen. »Jetzt haben wir schon vier«, dachte er, »und das hier ist die Gefährlichste.«
    Es war ein langer und sinnloser Gottesdienst, der Priester hatte den Verstorbenen nicht gekannt und gab Gemeinplätze über

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