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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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die Schlüssel hinunter.
    Iannece kam außer Atem oben an. Drei Treppen, und er war k. o. Er setzte sich auf einen Stuhl in der Küche und ließ sich ein Glas Wasser geben, das Luciani aus dem tropfenden Hahn gezapft hatte.
    »Sind Sie sicher, dass ich ihn nicht in Ordnung bringen soll, Commissario?«
    »Das lohnt nicht mehr. Ich werde hier nicht mehr lange wohnen.«
    »Ach? Und wohin ziehen Sie?«
    »Weiß nicht, vielleicht nach Mailand, mal sehen. Hier hält mich jedenfalls nichts mehr, auch mein Urlaub ist verstrichen. Der Polizeichef hat mir gesagt, er wird mein Entlassungsgesuch nach Rom weiterleiten, ab heute bin ich also offiziell arbeitslos.«
    Iannece starrte ihn an. »Ich habe gestern den ganzen Tag versucht, Sie zu erreichen. Haben Sie einen Ausflug gemacht?«
    »Einen Ausflug? Mache ich nie.«
    »Ach, ich dachte, Sie wären vielleicht ein bisschen ans Meer gefahren. Oder in die Berge …«
    Sie konnten davon nicht erfahren haben, dachte Marco Luciani. Kaum war er an der Hütte gewesen, hatte er sich in die Seilbahn gesetzt und war dann zum Auto gesprintet. Er hatte nicht die Absicht gehabt, der Schweizer Polizei irgendwelche Erklärungen zu geben.
    »Ich war nicht mehr in den Bergen, seit ich ein kleines Kind war, Iannece. Ich bin nicht schwindelfrei.«
    »Verstehe. Dann wissen Sie also gar nichts von dem Unglück?«
    |469| »Welchem Unglück?«
    »Merlis Schwester. Sie ist in der Schweiz ums Leben gekommen. Sehen Sie.«
    Er schlug die Zeitung auf, die er unter den Arm geklemmt hatte. Mitten auf der Seite war ein Foto der jungen Frau, darüber die Schlagzeile: »Frau aus Rapallo stirbt in Bergen. Stürzt in Abgrund, vielleicht Kollaps. Emanuela Merli, fünfunddreißig Jahre, war die Schwester von Barbara Ameris Mörder, der vor zehn Tagen Selbstmord beging.«
    »Tut mir leid«, sagte Luciani. »Diese Geschichte hat über viele Leute Unglück gebracht. Hoffen wir, dass sie jetzt vorbei ist. Für mich ist sie es bestimmt.«
    »Nun, Commissario. Schauen Sie wenigstens noch einmal rein, um Ihre Sachen abzuholen? Auf Wiedersehen zu sagen? Oder gehen Sie einfach so?«
    »Klar komme ich noch mal. In den nächsten Tagen schaue ich vorbei und verabschiede mich von jedem Einzelnen von euch.«
    »Kommen Sie jetzt mit, Commissario. Die Jungs waren überzeugt, dass Sie heute Morgen vorbeischauen würden, und haben eine kleine Überraschung vorbereitet, ein Abschiedsfest.«
    Marco Luciani wollte instinktiv ablehnen und irgendeine Ausrede erfinden. Dann dachte er, dass er nie einen besonders vertraulichen Umgang mit seinen Leuten entwickelt hatte. Dies war wohl die letzte Gelegenheit, sich einmal nicht als das Arschloch zu geben, das er in Wirklichkeit war. Es gefiel ihm nicht, dass er den Polizeidienst quittieren musste, aber wenn er es schon tat, dann wollte er wenigstens einen stilvollen Abgang hinlegen.
    »Okay. Geh schon mal los. Ich dusche mich, ziehe ein anständiges Hemd an, und dann komme ich.«
    Auf der Türschwelle drehte Iannece sich noch einmal |470| um. »Ach, Commissario, tun Sie überrascht, wenn die Überraschung kommt.«
     
    Um Viertel vor elf betrat er das Präsidium. Er hatte für sein Erscheinen genau diesen Moment abgepasst, denn um diese Zeit standen die meisten Beamten im Flur oder am Kaffeeautomaten. Sie gönnten sich eine kleine Pause und hielten einen Schwatz, ehe sie in die Tretmühle zurückkehrten. Er ging entschlossen auf die Treppe zu und nahm jeweils drei Stufen auf einmal. Die Kollegen schauten sich nach ihm um und tuschelten miteinander (»Der Kommissar ist da.« – »Luciani ist zurück.« – »Nein, er verlässt uns, er holt nur seine Sachen.«). Und auch die normalen Besucher wunderten sich über diesen baumlangen, spindeldürren Mann, der einen Umzugskarton trug.
    Er kam ins Stockwerk der Mordkommission, kein bisschen außer Atem, durchquerte den Korridor und ließ eine leichte Rasierwasserwolke hinter sich. Er hatte sich gründlich rasiert, war in seinen besten Anzug geschlüpft, einen grauen Nadelstreifen, der wie angegossen passte – als er noch fünfzehn Jahre jünger und fünfzehn Kilo schwerer war. Die polierten schwarzen Schuhe blitzten, und die Glanzlichter auf seinem kurzgeschorenen, gegelten Haar wirkten fast wie ein Heiligenschein. Aber der Blick, der war wie immer. Eine blaue Klinge, die sich in die Welt schnitt wie der Katana von Goemon.
    Inspektor Calabrò kam gerade aus dem Büro, auf dem Weg zum Kaffeeautomaten. Er war ein bisschen nervös, denn im Moment war er

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