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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sich nie an anderer Leute Unglück weiden, dachte er. Und ich bin ja gar kein nachtragender Mensch. Jetzt, da die Ferien des Kommissars wirklich vorbei sind, werde ich ihn sogar ein wenig vermissen.
    Er steckte den Brief ein und ging hinaus. Dieses Vergnügen, ihn persönlich abzuschicken, würde er sich von keinem nehmen lassen. Und außerdem traute er keinem, Luciani hatte zu viele Freunde im Präsidium, und auch bei dem hausinternen Kurierdienst kam manchmal etwas weg. Ein schönes Einschreiben auf dem Postamt, das war die sicherste Lösung. Und von der Post bis zu Irynas Wohnung waren es auch nur fünf Minuten. Ein Klacks.
    Kaum war er auf dem Korridor, kamen Calabrò, Failla, |466| Vitone und noch ein paar Beamte auf ihn zu. »Wir wollten gerade zu Ihnen, Chef.«
    »Hmm, ehrlich gesagt habe ich es ziemlich eilig.«
    Calabrò fasste sich ein Herz: »Wir wollten nur wissen, ob Kommissar Luciani tatsächlich nicht mehr zurückkehrt.«
    Iaquinta schüttelte den Kopf und setzte eine zerknirschte Miene auf: »Es tut mir leid. Ich habe alles versucht, um ihn umzustimmen, aber da war nichts zu machen. Ihr kennt ihn ja, wenn er einmal eine Entscheidung getroffen hat, dann bleibt es dabei.«
    »Ja. Vor allem, wenn es die falsche ist«, brummte Iannece. Iaquinta legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ihr braucht euch jedenfalls keine Sorgen zu machen. Es war eine schlimme Zeit, aber wir haben sie, dank eures Einsatzes, bestens gemeistert. Und was die Zukunft angeht: Ich habe bereits mit dem Minister gesprochen, und der hat mir versichert, dass noch vor Monatsende ein Ersatz von entsprechendem Format eintreffen wird.«
    »Das ist unmöglich«, erwiderte Iannece todernst. Dann streckte er die offenen Handflächen von sich und sagte: »Wo zum Kuckuck wollen sie denn einen zwei Meter langen Kommissar auftreiben?«
    Failla brach in Gelächter aus. Vitone tat es ihm gleich. Calabrò versuchte sich zu beherrschen, platzte dann aber ebenfalls heraus. Iaquinta fand die Bemerkung nicht so wahnsinnig witzig, aber da sie auf wundersame Weise diese Trauergemeinde in Scherzbolde verwandelt hatte, stimmte er in das ausgelassene Gelächter mit ein.
    Sie klopften einander auf die Schulter, schüttelten sich die Hände. »Jungs, ihr seid eine tolle Truppe«, sagte der Polizeichef lächelnd. Calabrò erwiderte: »Wir setzen unser Vertrauen in Sie«, und Failla ging sogar so weit, ihn zu umarmen: »Sie sind wie ein Vater für mich gewesen«, sagte er |467| mit gebrochener Stimme. Iaquinta gab ihm einen Nasenstüber und machte sich von dannen, damit er nicht auch noch rührselig wurde.
     
    Er schlug ein Auge auf. Dann schloss er es und hatte sofort wieder den Alptraum vom Vortag vor sich: Wie der deutsche Wanderer ihn mit leichten Ohrfeigen ins Bewusstsein zurückholen wollte, das Geschrei von Emanuelas Freunden, wie er, Luciani, seine Galle auf den Felspfad spie und sich weigerte, sich über den Abgrund zu beugen, der erste Donnerschlag, der aus heiterem Himmel kam, die aufgeregten Telefonate mit der Notrufzentrale, wie Luciani nach einem Hubschrauber schrie, weil er nie und nimmer zu Fuß den Rückweg antreten würde. Er zitterte und weinte in einem Anfall von Panik, und erst zwei kräftige Ohrfeigen und einige Schlucke Fusel brachten ihn wieder ein bisschen zu sich. Dann fing es zu schütten an, irgendwer lieh ihm eine Windjacke, und eine Frau gab ihm eine Mütze, an der links ein Taschentuch befestigt war, damit er den Abgrund nicht sah. Ein Bergführer stellte sich vor Luciani, einer hinter ihn, und der Kommissar musste seinem Vordermann die Hände auf die Schultern legen und im Gänsemarsch den ersten kleinen Schritt machen, dann noch einen und noch einen. Sie stiegen über die Rinnsale, die von der Bergflanke kamen, und den Bach, der sich in einen reißenden Wasserfall verwandelt hatte.
    Er schlug wieder die Augen auf. Es war tatsächlich jemand auf der Straße. Und dieser Jemand brüllte aus vollem Hals: »Commissario! Commissario Luciani!« Er dachte: »Das gibt’s doch nicht. Der schon wieder.«
    Er stieg aus dem Bett, trat ans Fenster, und es kostete ihn eine übermenschliche Anstrengung, hinunterzublicken, denn sofort waren Schwindel und Übelkeit wieder da. Iannece breitete die Arme aus und fuchtelte wie wild: »Schön, |468| wenn der Postmann zweimal klingelt, Herr Kommissar. Aber wenn Sie Ihre Gegensprechanlage nicht reparieren lassen, dann ist der Postmann bald seine Stimme los.«
    »Komm rauf«, sagte Luciani und warf ihm

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