Kein Schlaf für Commissario Luciani
war.«
»Ich weiß es nicht.«
»Hat sie auf der Kreuzfahrt jemanden kennengelernt? Wart ihr zusammen auf der Kreuzfahrt? Du hast sie eingeladen, weil du hofftest, du könntest sie dann bumsen, aber sie ließ sich nicht rumkriegen?«
»Nein, ja, wir haben sie nicht bezahlt, wir hatten sie gewonnen.«
»Gewonnen?«
»Ja, das könnt ihr ruhig überprüfen, ich habe ihr nichts spendiert, das hätte ich gar nicht gekonnt, und sie ebenso wenig.«
»Aber du hast es bei ihr versucht.«
»Nein, wie soll ich euch das denn erklären? Wir waren Freunde, das war alles.«
»Zwischen Mann und Frau gibt es keine Freundschaft.«
Am Ende brach Jacky in Tränen aus und schrie: »Es reicht, sie interessierte mich nicht, ich mag Männer, habt ihr Scheißkerle das kapiert? Ich bin schwul, okay? Ich bin schwul, ihr miesen Schweinepriester, und wenn ihr mich |104| nicht sofort gehen lasst, dann zeige ich euch wegen Freiheitsberaubung an.«
Venuti ging und warf die Tür zu. Giampieri legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter, bot ihm ein Glas Wasser an und begann die Nummer des guten Bullen.
»Ich glaube nicht, dass du es warst, Giacomo. Das meine ich ernst. Aber du musst uns helfen. Kennst du Mantero gut?«
Der Bursche zog die Nase hoch. »Nicht sehr gut. Ich habe ihn ein paarmal bei Bergtouren gesehen, wir sind Vereinskollegen im Club Rapallo Quattromila. Aber der ist ziemlich zugeknöpft.«
Der Ingenieur ließ ihn reden, bis er sich beruhigt hatte. Dann kam er auf den Punkt zu sprechen, der ihn am meisten interessierte.
»Und dieses Dorf, in das Barbara am Wochenende fuhr, Santo Stefano d’Aveto? Wo ihr Onkel wohnt. Gab es dort nicht einen jungen Mann, der ihr gefiel? Oder jemand, dem sie gefiel?«
Staatsanwältin Monica Serra saß auf ihrem Stuhl aus Plastik und rotem Stoff, vom Schreibtisch leicht abgerückt. Als er näher trat, konnte der Ingenieur die übereinandergeschlagenen Beine sehen, den Rock, der die Knie und ein Stück Oberschenkel freiließ. Schenkel passte hier nicht so richtig, dachte er, bei diesen Beinen bekam man keine Lust, hineinzubeißen, sie waren zweifellos wohlgeformt, aber für seinen Geschmack zu mager. Früher wurden die Vierzigjährigen fülliger, philosophierte der Vizekommissar, sie wurden gemütlicher und behaglicher, und, wie ihm vor langer Zeit einmal ein Onkel erklärt hatte: sie entpuppten sich als die besten Geliebten. Sie waren von den Schlüsselpositionen im Arbeitsleben ausgeschlossen, hatten heranwachsende Kinder, die unausstehlich waren, und |105| Männer, die den Zwanzigjährigen nachschauten, daher waren sie frustriert, hatten eine Menge Zeit übrig und wollten diese Zeit voll auskosten, bevor es zu spät war. »Hinzu kommt«, sagte er, »dass sie wahnsinnig versaut sind, aber sie wollen nur selten deinetwegen ihre Familie verlassen, was dir eine Menge Risiken und Komplikationen erspart.« Heute dagegen wird die Frau um die Vierzig schmaler, dachte Giampieri, ausgezehrt vor lauter Fitnessstudio und Arbeit. Ist sie Single, dann beschäftigt sie sich nur mit sich selbst, wenn sie verheiratet ist, hat sie Kinder, die noch klein sind und sie nicht einen Moment in Frieden lassen. Wer zum Henker will denn so eine, eine Frau aus Haut und Knochen, an der die Rotznasen zerren?
Die Serra richtete mit ein paar kundigen Handbewegungen ihr Haar, dann bot sie Giampieri einen Stuhl an. Ihr schmales Gesicht mit den prononcierten Wangenknochen war braungebrannt und voller Sommersprossen, die Augen leuchteten hell, und den einzigen Punktabzug gab es bei den Lippen, die ziemlich schmal und kaum zu einem Lächeln aufgelegt waren. So eine Naturrote, dachte Giampieri, während er sich setzte, mit fünf bis zehn Kilo mehr auf den Rippen, die sie einem gern zur Erkundung darbot, das wäre eine Granate. Aber aus ihren Augen sprachen nur Ehrgeiz und Versessenheit auf eine Karriere.
»Haben Sie eine Vorstellung, was passiert, Herr Kommissar, wenn wir uns auf den Falschen einschießen?«
»Das ist nur ein Ermittlungsverfahren, wir verhaften ihn ja nicht.«
»Für die Leute kommt es auf dasselbe heraus, das wissen Sie genau. ›Ermittlungsverfahren‹ ist heutzutage gleichbedeutend mit ›Verurteilung‹.«
»Ich bin auf diese Abhörmaßnahmen angewiesen, und zwar so schnell wie möglich. Außerdem brauche ich Blut- und DNA-Analyse.«
|106| Die Staatsanwältin zündete sich eine Zigarette an.
»Schauen Sie mich nicht so an. Wenigstens in meinem Büro will ich das Recht haben zu rauchen.«
»Das
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