Kein Schlaf für Commissario Luciani
die zweifelhaften, nicht belegten oder belegbaren Aussagen, zum Beispiel, dass jemand geschlafen und nichts gehört habe. In Grün die Bewohner ohne Alibi, die aber praktisch frei von Verdacht waren, wie Invalide und Greise.
Das Gebäude bestand aus fünf Stockwerken, mit zwei Eingängen und zwei Treppenhäusern. Zwölf Apartments mit Balkon auf der einen, zwölf auf der anderen Seite. Alle Mietparteien hatten eine Garage und einen Verschlag im Keller, und unter der Treppe B gab es ein Kabuff der einstigen Concièrge, mit fließend Wasser und Toilette. Die Zugehfrau bewahrte dort Besen und Putzmittel auf. Die Beamten hatten durch die Aussagen der Bewohner, die sie miteinander verglichen und vervollständigt hatten, nach und nach ein genaues Bild davon gewonnen, wo sich jeder einzelne Mieter in den Schlüsselminuten befand, während der Täter zuschlug und verschwand.
|99| Im ersten Stock, Apartment 1, die Kanzlei des Anwalts, Tatort. Barbara tritt wahrscheinlich gegen 8.25 Uhr ein, früher als an den anderen Wochentagen, aber zur typischen Montagszeit. Giampieri hatte ein bisschen Platz frei gelassen, dort wollte er die Daten eintragen, die er durch eine Auswertung des Computers erst noch zu gewinnen hoffte, allerdings war die Uhrzeit des Bootings bekannt: 8.27 Uhr. Dann (Apartment 2) der Alpinistenverein, das Büro ist an jenem Morgen geschlossen, weil es nur an drei Nachmittagen in der Woche öffnet. In Apartment 3 wohnen eine über neunzigjährige Invalide und ihre Tochter, sie waren zu Hause und hatten nichts gehört. Haben kein Alibi. Die Nummer 4 ist ein Miniapartment, dort wohnt eine Studentin, die schlief und vom Rettungswagen geweckt wurde. Hat kein Alibi, scheint aber sauber zu sein. Zweiter Stock: In der 5 eine getrennt lebende Mutter mit Kleinkind, das sie um 7.50 Uhr in den Kindergarten brachte, dabei sah sie auf dem Treppenabsatz die Reinigungskraft, die gerade putzte, niemanden sonst. Um 8.20 Uhr kam sie nach Hause, ohne jemandem zu begegnen. Die Putzfrau war gegangen und hatte die Haustür offen gelassen, damit die Stufen schneller trockneten, dann hatte sie sich in das andere Treppenhaus begeben, wo verschiedene Zeugen sie zwischen 8.15 Uhr und 8.45 sahen. Alles gecheckt, alles in Blau. Bei Apartment6 war der Name der Familie Turone in Rot eingetragen. Vater, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt, Mutter Hausfrau und ein Sohn, der in psychiatrischer Behandlung ist. Laut Nachbarn und Ärzten nicht gewalttätig. Behauptet, Barbara um halb neun im Foyer gesehen zu haben, wurde aber seinerseits um neun Uhr im Zentrum gesehen, wirkte ruhig, ohne Blutspuren an der Kleidung. Der Vater war um neun bei einem befreundeten Karosseriebauer, dem er half. An dieser Stelle fügte Venuti hinzu, dass die morgendliche Hausdurchsuchung zur Sicherstellung einer |100| Hose und eines kleinen Handtuchs mit verdächtigen Flecken geführt hatte, die noch überprüft werden mussten. Aber an seinem enttäuschten Tonfall merkte man schon, dass dabei nichts herauskommen würde. »In der 7«, fuhr Giampieri fort, »wohnt eine Stewardess, die an jenem Morgen auf einem Flug nach London war. Apartment 8 wird gerade renoviert, aber an betreffendem Morgen arbeitete dort niemand. In der 9 noch ein altes Ehepaar. Der Mann verließ die Wohnung kurz vor neun, ging, da der Aufzug besetzt war, die Treppe hinunter und sah dabei weder jemanden kommen noch gehen. Die Frau blieb in der Wohnung, sie ist es, die ihre Blumen goss und uns einige Hinweise gab. In der 10 ein Ladenbesitzer. Er brachte den Hund hinaus und kam sehr früh zurück, noch vor dem Eintreffen der Putzfrau, dann ging er um 8.40 Uhr noch einmal hinunter, um eine Zeitung zu kaufen. Er plauderte kurz mit jemandem vor der Haustür, kam dann herein, und wahrscheinlich war er derjenige, der den Aufzug besetzt hatte.« 11 und 12 schließlich waren die beiden verbundenen Apartments, die das große Loft der Manteros bildeten; und dort tauchte – bezüglich der Aufenthaltsorte von Mutter und Sohn – wieder der Rotstift auf.
Der andere Treppenaufgang war weniger interessant: Um dort hinzugelangen, musste man das Haus verlassen und über den anderen Eingang wieder eintreten, aber auf dem Weg dorthin hatte man nicht die kleinste Blutspur gefunden, die auf den Mörder hingewiesen hätte. Und sicher hatte dort niemand mit dem Scheuerlappen gewischt. Trotzdem hatten sie alle Hausbewohner überprüft, und wenn man die alten Leute, Nebenwohnsitze, die unvermieteten Apartments und die
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