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Kein Schlaf für Commissario Luciani

Kein Schlaf für Commissario Luciani

Titel: Kein Schlaf für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Mario den Kopf, als hätte jemand Gott gelästert, und ließ Bemerkungen fallen wie: »Wir werden alle auf die Nase fallen«, oder: »Schmeiß dein Geld nicht zum Fenster raus, leg es auf die hohe Kante, bring es in die Schweiz, früher oder später geht Italien sowieso bankrott.«
    »Warum lachst du? Bin ich so lächerlich?«
    Marco Luciani kam wieder zu sich und betrachtete seinen Vater. Der korpulente arrogante Hüne, dem man den Spitznamen »Großer Cäsar« verpasst hatte, war zum gespenstischen Klappergreis geworden, in dessen Gesicht die Krankheit schwarze Augenringe und tiefe Furchen gegraben hatte. Luciani fiel erstmals auf, wie ähnlich sie sich sahen. »Ich dachte an Großvater. Du sitzt in seinem Sessel. Ich dachte daran, wie er immer sagte, wir würden pleitegehen.«
    Der Vater zog eine Grimasse. »Natürlich. Er hatte Recht. Er hatte fast in allem Recht, wir müssten mehr auf unsere Alten hören.« Seine Stimme klang tief und warm wie immer, nur ein bisschen rauer, und sie passte schlecht zu dem, was von seinem Leib übrig war.
    »Das sagst du, weil jetzt du in diesem Sessel sitzt.«
    »Vielleicht. Aber von hier aus hat man einen besseren Blick auf die Welt, glaub mir, als wenn man da draußen ist und herumrennt, wenn man mit all den anderen in der Tretmühle steckt. Das ist ein ganz elementares philosophischwissenschaftliches Prinzip: Der objektive Beobachter muss außerhalb des Systems stehen, wenn er im System steckt, nimmt er nichts wahr, nicht einmal die Bewegung.«
    Sie hatten das Eis schnell gebrochen, als ob ihr letztes Gespräch erst einige Tage und nicht über zehn Jahre zurückgelegen hätte. Dennoch machte der Sohn keine Anstalten, ihm einen Kuss zu geben oder ihn auch nur zu berühren, |113| und der Vater schien nicht darauf zu warten. Marco Luciani schob ein wenig das Laken zur Seite, das die Couch bedeckte, und setzte sich seinem Vater gegenüber, während die Mutter, die die Anspannung nicht länger ertrug, etwas von einem Kaffee murmelte und in der Küche verschwand.
    »Jedenfalls hat Großvater sich geirrt. Italien ist nicht bankrottgegangen.«
    »Und ob. Wir Bürger sind bankrott, wir waren die Gläubiger des Staates mit all unseren Bundesschatzbriefen und Kommunalobligationen zu achtzehn Prozent Zinsen, wir saßen alle um den Roulettetisch, und eines Tages haben die das Licht abgedreht,
rien ne va plus
. Als das Licht wieder anging, lag nicht ein Chip mehr auf dem Spieltisch. Ein paar Sündenböcke sind in den Knast gewandert, es wurden millionenschwere Wiedergutmachungen verlangt, und dann begann die Abwertung der Lira, dreißig Prozent, das ist kein Pappenstiel, Diebstahl direkt von unserem Girokonto, dann die Europasteuer und eine Flut von Steuern und Abgaben, an die kein Land der Welt heranreicht. In den vielgeschmähten achtziger Jahren war der Staat verschuldet, aber die Bürger waren reich, jetzt behauptet der Staat, seine Bilanzen seien mehr oder weniger in Ordnung, aber die Bürger gehen am Bettelstab.«
    »Du bestimmt nicht«, sagte der Kommissar in ironischem Ton.
    »Nein, weil ich tat, was dein Großvater sagte, auch wenn ich da schon von alleine drauf gekommen war. Ich brachte mein Geld in Sicherheit, und auch wenn sie mir die Immobilien, die Autos und die Yacht beschlagnahmten, von dem Geld haben sie nicht alles gefunden. Ich hab’s diesen kommunistischen Richtern und ihren Genossen da unten in Rom besorgt. Damals hatten wir noch den Anstrich einer Nation, inzwischen haben die uns zu den Lakaien Europas gemacht.«
    |114| Der Vergangenheit nachzutrauern und sich über Politik und Wirtschaft zu beklagen, das sind Zeichen dafür, dass man alt wird, dachte Marco Luciani. Das sind unvermeidliche Begleiterscheinungen, so wie Rheuma und das Nachlassen von Sehkraft und Gehör.
    Sie schwiegen eine Weile, auf den vielversprechenden Beginn war eine beiderseitige Verlegenheit gefolgt. Aber es war vor allem der Vater, der das Bedürfnis hatte, zu reden. Er wischte sich einen Mundwinkel mit dem Taschentuch sauber. Dieser Speichelfaden, den er nicht zurückhalten konnte, war das erste Anzeichen dafür, dass bald alle Dämme brechen würden.
    »Ich freue mich, dass du gekommen bist, Marco.«
    Der Sohn begnügte sich mit einem Nicken.
    »Wie deine Mutter dir gesagt haben wird, geht es mit mir zu Ende.«
    »Es geht auch mit mir zu Ende, Papa. Auch mit Mutter, mit uns allen geht es zu Ende.« Das hatte er sich vorher zurechtgelegt, und nun musste er es unbedingt anbringen.
    »So kann man

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