Kein Sex ist auch keine Loesung
gestrigen Abends bewogen
haben wird. Im Gegenteil. Die meisten |260| ihrer Kartons sind verschwunden – keine Ahnung, wer ihr beim Schleppen geholfen hat. Vermutlich hat sich Johnny einmal mehr
zum Deppen gemacht.
Jetzt ist sie weg. Für immer.
Da ich annehmen muss, dass der Tod mich zu Hause leichter findet, als wenn ich draußen rumlaufe, und ich außerdem keinen Wert
darauf lege, morgen vor versammelter Mannschaft zum Teufel gejagt zu werden, melde ich mich für unbestimmte Zeit krank. Ist
jetzt schließlich auch egal. Die können mir meinen Karton ja auch per UPS schicken.
Die nächsten Tage sitze ich also zu Hause und mache gegen meinen Willen nacheinander folgende Gefühlsetappen durch:
Phase eins: Sehnsucht
Zunächst genieße ich es, in aller Ruhe durch die Fernsehkanäle zappen zu können, ohne dass jemand ständig sagt: «Warte doch
mal! Ist das nicht Madonna? Was hat die denn mit ihren Haaren gemacht?»
Oder: «Ich ruf mal kurz bei Claudi an.» Ein Gespräch, für das man sie eigentlich in ein anderes Bundesland verbannen müsste,
damit man noch etwas vom Film mitbekommt.
Im spannendsten Moment sagt sie außerdem manchmal gerne: «Können wir mal ganz kurz den Ton abstellen, ich erschrecke mich
sonst immer so.»
Doch dann, irgendwann, bleibe ich bei
Desperate Housewives
hängen, weil ich weiß, Elisa wird das jetzt auch sehen.
Und das fühlt sich in etwa so an, als würden wir es gemeinsam anschauen.
|261| Phase zwei: Trotz
Kurze Zeit halte ich es für eine gute Idee, im Besteckkasten wieder für Chaos zu sorgen. Nur um zu zeigen, wer hier der Herr
im Haus ist. Später in der Woche, nachdem ich ständig vom Fernseher wieder umkehren musste, weil ich für die Spaghetti statt
Gabel und Löffel versehentlich Messer und Löffel gegriffen habe, sortiere ich wieder alles zurück.
Phase drei: Das Leben geht weiter
Ich beginne wieder, alte Zeitungen im Flur zu sammeln, aber die Unordnung nervt mich bald, also trage ich sie regelmäßig zum
Papiercontainer. Den neugewonnenen Platz im Bad fülle ich mit Zahnpasta- und Haarshampoo-Vorräten auf, die ich im Sonderangebot
erstanden habe. Ich kann nur hoffen, dass meine Haar und Hautbeschaffenheit sich in den nächsten fünfzehn Jahren nicht ändert,
sonst muss ich das ganze Zeugs wegwerfen. In Elisas Zimmer entleere ich den Inhalt eines Insektensprays, sodass ihr Geruch
und praktischerweise auch jede noch so kleine Fliege nördlich der Elbe für immer verschwindet. Danach sauge ich pingelig alle
Haare von sämtlichen Möbelstücken, so gründlich, dass ich über die Brillanz der Muster, die zum Vorschein kommen, erschrecke.
Ich sage es nicht gern, aber ich vermisse sie.
Der ganze langweilige Alltag zu zweit war mit ihr eigentlich gar nicht langweilig. Im Gegenteil. Jetzt habe ich langweiligen
Alltag. Und dann erst das ermüdende Jagen nach immer neuen Abenteuern mit sich immer ähnlicher werdenden Frauen und der darauf
folgenden Erkenntnis, dass man mit den meisten von ihnen weder leben kann noch will.
|262| Keiner meiner Freunde hat eine Frau, um die ich ihn beneide. Nicht dass einige von ihnen nicht ganz nett wären. Oder attraktiv.
Bestenfalls sogar beides. Aber irgendwie besitzen sie alle Eigenschaften, die mich direkt in den Wahnsinn treiben würden.
Zum Beispiel Susanne. Von ihrer Unattraktivität mal abgesehen, ist sie so ein Lehrerinnentyp: «Tu dies nicht, tu dafür das.
Hast du auch an Muttis Geburtstag gedacht …» Und so weiter. Kein Bedarf.
Oder Nadja. Das lange Alleinsein hat sie hart gemacht. Ähnlich wie Susanne denkt sie in erster Linie an sich und ihren Vorteil,
nur dass sie dabei nicht so zickig ist wie Susie. Bei Nadja muss alles einen Sinn ergeben und unterm Strich irgendwie zu etwas
nützlich sein.
Oder nehmen wir Lydia: Attraktiv, immer Lust auf Sex, aber das genaue Gegenteil von Susanne. Sie hält es keine zwei Tage am
selben Ort aus, muss ständig etwas erleben und legt keinen Wert auf persönliche Bindungen. Urs kann man ja nun wirklich nicht
dazu zählen.
Von dieser Sorte fallen mir spontan noch mindestens fünf Exemplare in meinem Bekanntenkreis ein, mit denen ich es nicht länger
als eine Nacht aushalten würde, falls es überhaupt dazu käme.
Die einzige Frau, mit der ich es aushalten könnte – da bin ich mir von Tag zu Tag sicherer –, verlässt mich wegen des Körperdoubles eines Mannes mit deppenhaftem Namen.
Aber ich werde mich jetzt nicht zum
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