Kein Sex ist auch keine Loesung
letzte Woche vor, wir könnten Mäxchen doch in seinem Kinderwagen auf den Balkon schieben und derweil
in der Kneipe ums Eck ein paar kühle Bierchen zischen. Vince’ Blick hätte nicht strafender sein können, hätte ich vorgeschlagen,
Babys Brei mit Crack anzureichern. Immerhin gönnt er sich neuerdings manchmal den Luxus, seine Mutter zum Babysitten zu engagieren.
Dennoch erscheint Vince erst eine halbe Stunde später, als Luke der Brünetten bereits den zweiten Martinicocktail spendiert
und mein drittes Bier mich in Bezug auf ihre unattraktive Freundin zunehmend kritikloser werden lässt. |31| Erschöpft sinkt er auf den Stuhl neben mir und bestellt einen Tomatensaft. Luke und ich blicken betreten auf unsere Schaumkronen.
«Ihr braucht gar nicht so blöd zu glotzen», zickt Vince wie eine überlastete Tagesmutter. «Ich habe den ganzen Tag noch nichts
gegessen und bin sonst gleich betrunken. Außerdem hasst Mäxchen es, wenn ich nach Alkohol rieche. Er schreit dann die ganze
Nacht.»
Um ehrlich zu sein, glaube ich eher, Vince’ Mutter würde die ganze Nacht schreien, wenn sie auch nur ahnen würde, dass sie
zum Babysitten anrücken muss, damit sich ihr Sohn einen hinter die Binde kippen kann.
Luke nimmt einen großen Schluck und fragt dann, wohl um die Situation zu entschärfen, nach Susanne, was ich wiederum für keine
gute Idee halte und weshalb ich ihn unter dem Tisch gegen das Schienbein trete.
«Autsch!»
Genau wie ich befürchtet hatte, macht Vince einen Gesichtsausdruck, als hätte man ihm gerade den gesamten Jahresurlaub gestrichen.
«Morgen in zwei Wochen kommt sie wieder. Dann sind die acht Wochen rum.»
Nach einem Blick in unsere verständnislosen Gesichter stellt er schnippisch klar: «Das ist jetzt echt total wichtig für Susie.
Nur wenn sie zu sich selbst findet und ihr Leben nicht über das Kind definiert, kann sie glücklich werden und auch wieder
ihren Beruf ausüben.»
Susanne ist Friseurin, und ich verstehe ehrlich gesagt weder, wo genau ihr Problem liegt, noch, was das Baby mit dem bisschen
Haareschnippeln zu tun haben könnte. Aber da Vince es, glaube ich, auch nicht wirklich versteht, wird |32| er schnell ungehalten, wenn man nachhakt. Wir lassen das Thema also besser auf sich beruhen.
Aber da ist es wieder, was ich meine.
Lebt man über einen längeren Zeitraum mit einer Frau zusammen, macht sie einen komplett neuen Menschen aus einem, sodass man
sich am Ende selbst nicht wiedererkennt.
Genüsslich leere ich mein Bier und schwöre mir zum x-ten Mal, dass ich es niemals so weit kommen lassen werde.
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3.
«Moinmoin!»
Klaus, Vorzimmerschlampe und unser Mädchen für alles, lässt erschrocken den Telefonhörer fallen. Ich liebe es, statt mit dem
Fahrstuhl hochzufahren, geräuschlos in der Agentur aufzutauchen, indem ich über die Treppe schleiche. Ohne Zweifel unternahm
Klaus gerade einen Lauschangriff aufs Chefzimmer, denn er läuft bis über seine beiden leicht abstehenden Ohren rot an.
«Tachchen», presst er leise hervor, als wäre es ein geheimer Code, mit dem sich Agenten untereinander zu erkennen geben. Nachdem
er sich vorsichtig in alle Richtungen umgesehen hat, winkt er mich dichter zu sich heran und |33| raunt mir verschwörerisch zu: «Du wirst nicht glauben, was ich eben zufällig gehört habe!»
Dabei wackelt er abwechselnd mit linker und rechter Augenbraue.
Nun bin ich weder schwul, noch verfüge ich über zu viele Hormone vom falschen Ufer, deswegen interessiert mich sein Weibergeschwätz
auch heute nicht besonders.
«Behalte es für dich, Klaus, oder häng einen Zettel ans Schwarze Brett.»
Ha! Einem Außenstehenden würde vermutlich die Gemeinheit meiner Worte in ihrer Komplexität nicht bewusst werden, aber Klaus
weiß sehr wohl, dass er die größte Klatschtante dieser Sternzeit ist. Komischerweise wird er aber nicht gern darauf hingewiesen.
Von ihm zu verlangen, ein Geheimnis für sich zu behalten, wäre definitiv ein Fall für Amnesty International, Verletzung der
Menschenwürde und so.
Ich schaffe gerade noch unbehelligt den Weg in mein Büro, doch bevor ich die Tür von innen schließen kann, schlüpft Klaus
durch den Spalt und baut sich vor meinem Schreibtisch auf. Ich kapituliere. Je eher daran, desto eher davon, pflegte meine
Großmutter gern zu sagen.
«Also los, sag schon. Aber fass dich kurz, ich muss gleich ins Meeting.»
Erleichtert wie eine alte Dame nach dem Toilettengang, stützt
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