(Kein) Sex mit dem Ex
bedeutet, verstehe ich manchmal nicht.â
âWas verstehst du denn? â
Der Junge schien lange über ihre Frage nachzudenken. âBedürftigkeit.â
âDann sind du und ich uns ähnlicher, als du vielleicht ahnst.â Jianne schenkte ihm ein Lächeln â von einer bedürftigen Seele zur anderen. âEs war mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen, Lee aus der Karateschule. Falls du mich jemals brauchst, suche nach mir. Madeline weiÃ, wo ich zu finden bin.â
âWas, wenn Jake Sie braucht?â
âLee â¦â Wie sollte sie einem Kind etwas erklären, was sie nie zuvor in Worte gefasst hatte? âJake hat schon immer gewusst, wo ich zu finden bin.â
Mit einer Würde, die direkt aus ihrer Verzweiflung kam, wandte sich Jianne Xang-Bennett ab und ging.
Fünf Minuten nachdem sich Jianne von der Party verabschiedet hatte, machte sich Jake ebenfalls auf den Weg. Lee zu finden erforderte etwas Mühe, denn der Junge hatte sich aus dem Hotel geschlichen. Er war in die Schatten vor dem eleganten Eingang des Hotels geflüchtet.
Einer der Hotelpagen brachte Jakes Motorrad aus der Tiefgarage. Viel zu viel PS, als dass es praktisch gewesen wäre. Viel zu wenige Gelegenheiten, die Geschwindigkeit voll auszureizen, hier in Singapur. Zwei Helme, von denen der kleinere erst vor Kurzem gekauft worden war. Und ein Junge, der ihn aus verzweifelten schwarzen Augen ansah. âKommst du?â, fragte Jake und streckte ihm den Kinderhelm entgegen.
âBin ich immer noch dein Lehrling?â
âWillst du immer noch Karate lernen?â
Der Junge nickte heftig.
âDann ist das hier unser Deal: Wenn du stiehlst, verschwindest du sofort. Wenn du andere Fehler machst, erhältst du eine Warnung. Schaust du dir noch einmal private Dinge eines anderen an, bist du auch weg. Hast du das verstanden?â
Ein weiteres Nicken.
âDann steig auf.â
Der Junge klammerte sich ganz fest an ihn während der Rückfahrt. Und als Jake gegen zwei Uhr nachts die Trainingshalle betrat, weil er nicht schlafen konnte und die Anspannung abbauen musste, die aus den alten Erinnerungen entstand, die er besser vergessen sollte, da gesellte sich ein kleiner Schatten zu ihm.
Manchmal waren Brüder nützlich. Jake hatte nicht erwartet, Luke am Tag nach seiner Verlobungsparty in die Karateschule spazieren zu sehen. Ganz sicher hatte er nicht damit gerechnet, ihn schon um halb sieben morgens frisch und gut gelaunt an seine Tür klopfen zu hören.
âUm wie viel Uhr war die Party zu Ende?â, fragte Jake.
âSo gegen zwei.â
âUnd warum bist du dann heute Morgen hier? Hat Maddy dich rausgeworfen?â
âMadeline hat sich für Tai Chi als Frühsport entschieden.â Luke gähnte herzhaft. âIch brauche etwas mit ein bisschen mehr Kick. Und dabei fiel mir ein, wo ich das finden würde. Hast du Lust auf einen kleinen Zweikampf?â
Jake lächelte träge und selbstsicher. âIch schätze, das lieÃe sich einrichten.â Bei seinem Bruder musste er sich nicht so zurückhalten wie bei seinen Schülern. Ein Mann kämpfte, um im Training zu bleiben oder seine Kunst zu vervollkommnen. Er kämpfte, um sich dem Wettbewerb zu stellen und zu gewinnen. Manchmal kämpfte er, um das wilde Tier in sich zu zähmen. Und manchmal kämpfte er, um zu vergessen.
An diesem Morgen ging es Jake nur um das Vergessen.
âAlso, wie ist es gelaufen?â, erkundigte sich Luke, während er sein T-Shirt auszog, die Schuhe abstreifte und darauf wartete, dass Jake dasselbe tat. Nackte Oberkörper, nackte Fäuste, schwarze Baumwollhosen, und keiner von ihnen gab einen Pfifferling darauf, welche Farbe der Gürtel hatte.
âWie ist was gelaufen?â
âDeine Begegnung mit Jianne.â
âUngefähr so gut wie erwartet.â
Luke lockerte die Schultern, dehnte die Muskulatur. âDafür habt ihr aber ganz schön lange miteinander geredet.â
âBist du hier, um zu kämpfen oder zu tratschen?â
âEgal. Beides. Was auch immer. Ich bin um deinetwillen hier, mein Lieber. Vergiss das nie.â
Jake schenkte seinem Bruder ein Lächeln, das jeden klugen Mann gewarnt hätte. âIch werde versuchen, keine sichtbaren Spuren bei dir zu hinterlassenâ, sagte er, und gleich darauf knallte seine Faust auf Lukes ungeschütztes Kinn. âZumindest weitestgehend.â
Luke
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