Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
war zu viel los, und alle waren ein kleines bisschen zu überspannt. Tanztheater auf Messers Schneide, nannte ich es. Mein Lieblingsplatz war die sich nie ganz auflösende Menschenmenge gewesen, die sich bei den Beton-Spieltischen sammelte. Ich hatte dort ein paar Mal Schach gespielt. Ich spielte ziemlich gut, aber das Schachspiel war der große Gleichmacher in diesem Park. Reiche, Arme, Weiße, Schwarze, Obdachlose, Mieter von regulären Wohnungen und Sozialwohnungen - alle verständigten sich mittels der uralten schwarzen und weißen Figuren. Der beste Spieler, den ich hier je gesehen hatte, war ein Schwarzer, der vor der Amtszeit Bürgermeister Giulianis die meisten Nachmittage damit verbracht hatte, an Ampeln mit Schwamm und Wischer den Autofahrern das Kleingeld aus der Tasche zu ziehen.
Elizabeth war noch nicht da.
Ich setzte mich auf eine Bank.
Noch eine Viertelstunde.
Das Gefühl der Enge in meiner Brust vervielfachte sich. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie solche Angst gehabt. Ich dachte an Shaunas digitale Vorführung. Ein Trick? Ich dachte noch einmal darüber nach. Wenn das alles nur ein Trick gewesen war? Wenn Elizabeth wirklich tot war? Was sollte ich dann tun?
Das ist alles nutzlose Spekulation, sagte ich mir. Reine Energieverschwendung.
Sie musste am Leben sein. Anders ging es nicht.
Ich lehnte mich zurück und wartete.
»Er ist da«, sagte Eric Wu in sein Handy.
Larry Gandle sah durch das verspiegelte Lieferwagenfenster. David Beck war tatsächlich da. Er sah aus wie ein Ghetto-Schläger. Sein Gesicht war mit Kratzern und blauen Flecken übersät.
Gandle schüttelte den Kopf. »Wie hat er das denn gemacht?«
»Tja …«, antwortete Wu in seinem singenden Tonfall, »… wir können ihn ja einfach fragen.«
»Das muss reibungslos über die Bühne gehen, Eric.«
»In der Tat.«
»Ist jeder an seinem Platz?«
»Logisch.«
Gandle sah auf seine Uhr. »Sie müsste jeden Moment kommen.«
An der Südseite des Parks zwischen der Sullivan Street und der Thomson Street lag das auffallendste Gebäude am ganzen Washington Square, ein hoher Turm aus verwaschenem braunem Backstein. Die meisten nahmen an, er gehöre zur Judson Memorial Church. Das stimmte nicht. In den letzten zwanzig Jahren hatte die NYU dort einige Zimmer und Büros des Studentenwohnheims untergebracht. Das oberste Stockwerk war für jeden problemlos zugänglich, der so aussah, als gehöre er dorthin.
Sie konnte von hier oben den ganzen Park überblicken. Und als sie das tat, fing sie an zu weinen.
Beck war gekommen. Er trug eine absolut groteske Verkleidung, aber schließlich hatte sie ihm auch mitgeteilt, dass er beschattet wurde. Sie sah ihn allein auf der Bank sitzen und warten. Sein rechtes Bein zuckte. Das tat es immer, wenn er nervös war.
»Ach, Beck …«
Sie hörte die Qual, den bitteren Schmerz in ihrer Stimme. Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden.
Was hatte sie getan?
Idiotisch.
Sie zwang sich, sich abzuwenden. Ihre Beine knickten ein und sie glitt langsam mit dem Rücken an der Wand hinunter, bis sie auf dem Boden hockte. Beck war ihretwegen gekommen.
Aber sie waren auch hier.
Sie war sich vollkommen sicher. Sie hatte mindestens drei von ihnen entdeckt. Wahrscheinlich waren es mehr. Außerdem war ihr der B&T Paint -Lieferwagen aufgefallen. Sie hatte die angegebene Telefonnummer gewählt und festgestellt, dass sie nicht vergeben war. Dann hatte sie bei der Auskunft angerufen. Es gab keine Firma namens B&T Paint .
Sie hatten sie gefunden. Trotz all ihrer Vorsichtsmaßnahmen waren sie hier.
Sie schloss die Augen. Idiotisch. So etwas Idiotisches. Zu glauben, dass sie damit durchkommen würde. Wie konnte sie das zulassen? Die Sehnsucht hatte ihr Urteilsvermögen vernebelt. So viel war ihr inzwischen klar geworden. Irgendwie hatte sie sich eingeredet, sie könne eine verheerende Katastrophe - die Entdeckung der beiden Leichen am See - in eine göttliche Fügung umkehren.
Idiotisch.
Sie richtete sich auf und riskierte noch einen Blick. Ihr Herz sank wie ein Stein in einem Brunnen. Er wirkte so einsam da unten, so klein, so zerbrechlich und hilflos. Hatte Beck sich mit ihrem Tod abgefunden? Wahrscheinlich. Hatte er sich durch das, was danach kam, hindurchgekämpft und sich ein eigenes Leben aufgebaut? Auch das war anzunehmen. Hatte er sich von dem Schicksalsschlag erholt, nur um durch ihre Idiotie wieder eins übergebraten zu bekommen?
Natürlich.
Wieder weinte sie.
Sie zog die beiden Flugtickets
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