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Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Titel: Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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angefordert?«
    »Vor drei Jahren«, sagte Harper. »Gleich nachdem er ausgelagert wurde, hat jemand den Bericht für ein paar Tage mitgenommen.«
    »Wer?«
    »Der Vater der Verstorbenen. Er ist bei der Polizei. Sein Name ist Hoyt Parker.«

36
    Larry Gandle und Griffin Scope saßen sich auf der Säulenveranda hinter Scopes Domizil gegenüber. Die Nacht hatte die Oberhand gewonnen, und tiefe Dunkelheit lag über dem penibel gepflegten Rasen. Die Grillen zirpten eine fast melodische Weise, so dass man den Eindruck bekommen konnte, die Superreichen könnten sogar das manipulieren. Durch die Glasschiebetüren perlte Klaviermusik. Licht aus dem Innern des Hauses tauchte ihren Sitzplatz in einen fahlen Schein und erzeugte rötliche und gelbe Schatten.
    Beide Männer trugen Khakihosen, Larry dazu ein blaues Polohemd, Griffin ein Seidenhemd mit Button-down-Kragen von seinem hongkonger Schneider. Larry wartete, während die Hand, die sein Bier hielt, langsam kalt wurde. Er betrachtete den älteren Mann, der in perfekter Copper-Penny-Haltung mit leicht erhobenem Kopf und übergeschlagenen Beinen vor ihm saß und auf sein riesiges Anwesen hinausblickte. In der rechten, locker auf die Armlehne gestützten Hand ließ er die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Cognacschwenker kreisen.
    »Du hast keine Ahnung, wo er sein könnte?«, fragte Griffin.
    »Nein.«
    »Und die beiden Schwarzen, die ihn rausgeholt haben?«
    »Ich weiß beim besten Willen nicht, was die damit zu tun haben. Aber Wu kümmert sich darum.«
    Griffin trank einen Schluck von seinem Cognac. Zäh schleppte sich die Zeit dahin. »Glaubst du wirklich, dass sie noch lebt?«
    Larry wollte zu langen Ausführungen ansetzen, Indizien und Hinweise für und gegen diese These vorbringen und sämtliche Möglichkeiten und Varianten aufzeigen. Doch als er den Mund öffnete, antwortete er einfach: »Ja.«
    Griffin schloss die Augen. »Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem dein erstes Kind geboren wurde?«
    »Ja.«
    »Warst du bei der Geburt dabei?«
    »Ja.«
    »Bei uns war das früher anders«, sagte Griffin. »Wir Väter sind in einem Wartezimmer mit alten Zeitschriften auf und ab gegangen. Ich erinnere mich, wie die Schwester rausgekommen ist, um mich zu holen. Sie hat mich den Korridor entlanggeführt, und dann weiß ich noch ganz genau, wie ich ins Zimmer kam und Allison mit Brandon im Arm sah. Das war ein ganz eigenartiges Gefühl, Larry. In mir ist etwas hochgestiegen, so dass ich das Gefühl hatte, ich würde gleich platzen. Es war schon fast zu rührend, zu überwältigend. Ich hab es nicht begriffen, wusste nicht, wie mir geschah. Ich denke, dass es anderen Vätern ähnlich ergeht.«
    Er schwieg. Larry sah ihn an. Dem alten Mann liefen Tränen über die Wangen. Sie funkelten im schwachen Licht. Larry sagte nichts.
    »Die ersten Gefühle an diesem Tag sind wohl Freude und Sorge - Sorge, weil man jetzt für diesen kleinen Menschen verantwortlich ist. Aber da war noch etwas anderes. Ich konnte es nicht genau benennen. Damals jedenfalls noch nicht. Das hat noch bis zu Brandons erstem Schultag gedauert.«
    Dem alten Mann saß ein Frosch in der Kehle. Er hustete kurz, und Larry sah noch mehr Tränen. Die Klaviermusik schien leiser geworden zu sein. Die Grillen waren verstummt, als würden auch sie lauschen.
    »Wir haben zusammen auf den Schulbus gewartet. Ich habe seine Hand gehalten. Brandon war damals fünf Jahre alt. Er hat zu mir hochgeschaut, so wie Kinder es in diesem Alter tun. Er hatte eine frisch gewaschene Hose an, die an einem Knie trotzdem schon einen Grasfleck hatte. Ich weiß noch, wie der gelbe Bus vorfuhr, und ich habe das Geräusch noch im Ohr, mit dem die Tür aufklappte. Dann hat Brandon meine Hand los gelassen und ist die Stufen hinaufgeklettert. Ich wollte ihn festhalten, ihn an mich drücken und mit nach Hause nehmen, aber ich konnte mich nicht rühren. Er ging den Bus entlang nach hinten, und wieder hörte ich dieses Geräusch, als die Tür sich schloss. Brandon hat sich ans Fenster gesetzt. Ich habe ihm ins Gesicht gesehen. Er hat mir zugewinkt. Ich habe zurückgewinkt, und als der Bus losfuhr, sagte ich zu mir: Da geht meine ganze Welt. Dieser gelbe Bus mit den dünnen Blechwänden und dem Fahrer, den ich noch nie gesehen hatte, karrte mein Ein und Alles davon. Und in diesem Moment wurde mir klar, was ich am Tag seiner Geburt noch gefühlt hatte. Angst. Nicht nur Sorge. Sondern auch schiere, panische Angst. Krankheiten, das Alter oder den Tod

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