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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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gestellt. Er versuchte zu reden, zu schreien, aber der Stoffball in seiner Mundhöhle schluckte fast jeden Ton. Sie brachten ihn die Treppe hoch. Er stolperte zweimal über die Stufen und wurde jedes Mal von diesen unsichtbaren Händen ergriffen und aufgefangen. In einem der Zimmer im Obergeschoss setzten sie ihn auf einen Stuhl und banden ihn daran fest. Er hörte, wie die Tür wieder geschlossen wurde, danach herrschte Stille. Er zerrte an seinen Fesseln, aber die schnitten sich nur noch mehr in seine Handgelenke. Es tat höllisch weh. Er hörte damit auf, und der Schmerz ließ langsam wieder nach. Was war geschehen, was verdammt noch mal war geschehen?
    Er war völlig verstört. Noch vor wenigen Augenblicken war er der Meinung gewesen, wieder alles im Griff zu haben. Jetzt saß er bewegungsunfähig, blind und stumm in seinem eigenen Haus und hatte keine Ahnung, was ihm widerfahren war. Wieder versuchte er zu schreien, wieder versuchte er, irgendwelche Körperteile zu bewegen. Es brachte nichts, außer einem neuen Schub an Schmerzen. Er atmete schwer, versuchte zu denken, nicht panisch zu werden. Es gelang ihm nicht, denn es wurde ihm etwas bewusst, das blanke Todesangst in ihm auslöste. Egal wer es war, er war gekommen, um ihm ein Ende zu bereiten. Vielleicht hatten sie Kristin auch schon …?
    Er spürte, wie ihm übel wurde, sein Mageninhalt drängte nach oben, fand aber keinen Ausgang, verschloss die Luftröhre. Er hustete, schluckte, alles verkrampfte. Er spürte, wie ihm die Luft immer weniger, ihm immer schwindeliger wurde. Dann riss jemand das Klebeband ab und den Knebel aus seinem Mund. Endlich konnte er sich erbrechen, so lange, bis nur noch ein Röcheln der Lunge und ein Brennen in der Speiseröhre zurückblieben. Nachdem sich sein Atem etwas stabilisiert hatte, wurde ihm der Mund wieder verstopft und verschlossen. Er wehrte sich nun nicht mehr.
    * * *
    Henry Ducard hatte Buhle direkt am Eingang des Dienstgebäudes abgefangen. »Lass dein Auto hier stehen und komm mit. Ich habe gerade einen Wagen mit meinen Leuten vor Dardennes Haus positioniert. Dort ist alles ruhig. Die Staatsanwaltschaft ist informiert und auf dem Weg. Ich denke, wir werden bald einen Durchsuchungsbefehl haben. Aber vielleicht kommen wir schon vorher rein. Reno haben wir übrigens auch im Visier, aber auch dort ist bislang nichts passiert.«
    Buhle hatte noch kein Wort gesagt, als er ins Auto seines luxemburgischen Kollegen stieg. Ducard hatte alles im Griff, und beide waren im Einsatz ohnehin Freunde kurzer, klarer Worte. Erst auf der Fahrt nach Bertrange schilderte Buhle noch einmal ausführlicher sein Gespräch mit Paul Feilen und erinnerte daran, dass damit auch das Bild von Zoé an Beweiskraft gewonnen hatte. Ducard war sichtlich angefressen.
    »Das heißt also, wir hatten von Anfang an zwei Zeugen. Der alte Mann hatte alles schon seit Langem beobachtet und nichts gesagt, weil es ihn nichts anging?«
    »Zumindest äußerte er sich so. Ich kann es sogar ein Stück weit nachvollziehen. Der hat sein ganzes Leben in Merteskaul verbracht, wahrscheinlich immer hart gearbeitet, wenig mit anderen Menschen zu tun gehabt. Da wird man sicher eigenbrötlerisch.«
    »Was wird man?«
    »Eigenbrötlerisch, also befremdlich, kauzig, eigenartig, seltsam. Wie man halt wird, wenn man ein Leben lang auf sich gestellt war und auch zum Schluss weitgehend allein lebt. Ich glaube nicht, dass das in echten ländlichen Gebieten, egal ob Eifel oder Hunsrück, Niederbayern oder Ostfriesland, selten ist.«
    Sie fuhren nach Bertrange hinein und hielten vor dem Auto der luxemburgischen Kollegen, die das Haus observierten. Ducard ging an die Fahrertür und fragte auf Luxemburgisch: »Ist noch alles ruhig?«
    »Ja, niemanden gesehen, keine Bewegung hinter den Fenstern. Allerdings besteht Fluchtmöglichkeit über die Nachbargärten. Wir sind aber hiergeblieben, um sie nicht aufmerksam zu machen.«
    »Klar. Komm jetzt bitte mit, damit jemand hinten ist, wenn wir klingeln.«
    Der Polizist stieg aus und folgte den beiden Kommissaren. Ducard wartete bei der Klingel, bis sein Kollege sich hinter dem Gebäude in Stellung gebracht hatte. Dann drückte er kräftig und bestimmt auf den Knopf. Sie hörten den Klingelton bis vor die Haustür. Sonst hörten sie nichts. Ducard versuchte es noch einmal. Wieder verstrichen die Sekunden, ohne dass sich etwas tat.
    »Christian, geh du hinters Haus und schau, ob du etwas entdecken kannst. Ich warte hier vorne.«
    Buhle folgte

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