Kein Tod wie der andere
Schwerpunktbereichen näher durchzuschauen. Nach ein paar Minuten hatte er festgestellt, dass das Recherchematerial in ganz unterschiedlichen Mengen vorlag. Er strich die Ausrufezeichen vor »Air Base«, »Mega-Steinbruch« und »Sextourismus« wieder durch. Altmüller hatte sich hingegen äußerst intensiv mit dem luxemburgischen Finanzwesen beschäftigt.
Die Unterlagen in den Papierstapeln, Mappen und Ordnern gaben zumeist nur Informationen Dritter wieder. Eigene Texte oder Aufzeichnungen fanden sich nicht. In weiteren Ordnern fand der Kommissar Dossiers über Lokalpolitiker und Unternehmer. Während die meisten in zwei Ordnern zusammengefasst worden waren, gab es für den örtlichen Landtagsabgeordneten Markus Schilzenbach und den indischen Stahlunternehmer Lakshmi Mittal jeweils einen eigenen schmalen Ordner. Buhle fügte vor »Lux. Stahl« ein neues Ausrufezeichen hinzu.
Die Stille, die Buhle umgeben hatte, wurde jäh unterbrochen, als ein Polizeiauto schnell in die Merteskaul fuhr und vor dem Wohnhaus scharf bremste. Kurze Zeit später hörte er Schritte im Flur vor der angelehnten Bürotür.
»Herr Buhle?«
Buhle kannte die Stimme nicht und auch nicht den Streifenpolizisten, der kurz danach eintrat.
»Hauptkommissar Buhle?« Der junge Beamte fuhr aufgeregt fort, als sein Gegenüber kurz genickt hatte. »Kriminalhauptkommissar Kienzig schickt mich. Sie sollen an die Sauer kommen. Man hat etwas entdeckt.«
»Was?«
»Eine Spur. Die Suchhunde haben eine Spur der Vermissten entdeckt, die bis an die Sauer führt.« Der Polizist hatte sich bei der kurzen Mitteilung zweimal versprochen. »Ich soll Sie direkt mitholen.«
Auf der Fahrt konnte Buhle seinen Fahrer zumindest davon überzeugen, die Sirene auszustellen. Das Blaulicht ließ er sich aber nicht nehmen. Kaum waren sie auf der Bundesstraße entlang der Sauer angekommen, wechselten sie auf einen asphaltierten Wirtschaftsweg, der parallel dazu verlief. Die ersten Radler, die dem Polizeiauto in der Mittagssonne auf dem Sauer-Radweg entgegenkamen, wurden ohne Zögern zur Seite gehupt. Hinter einer kleinen Rasthütte auf dem breiten Wegrain hielten sie schließlich an. Am Wegrand waren bereits Kriminaltechniker dabei, Spuren im Bereich eines Trampelpfades zwischen den Hecken zu sichern. Über ein anderes Loch im Gestrüpp gelangten sie zu einer Ackerfläche, die von einem Feldgehölz mit einer beeindruckenden Eiche begrenzt wurde. Daran entlang gingen sie einen Feldweg in Richtung Sauer. Auf halbem Weg kamen ihnen Kienzig und zwei weitere Kollegen entgegen.
»Christian, sieht aus, als ob wir richtig liegen. Die Hunde hatten die Spur recht schnell aufgenommen. Dauerte nur ein bisschen, bis wir die Stelle hatten, an der Suzanne Altmüller vom Radweg wieder abgebogen ist. Sie kam dann diesen Weg hier runter, ist unten nach rechts abgebogen, dem Weg ein weiteres Stück flussaufwärts gefolgt. Und dann findet sich ein Bereich im breiten Ufersaum, wo sie sich allein, oder wie Grehler behauptet, mindestens mit einer weiteren Person aufgehalten hat.«
»Sie hat sich mit jemandem getroffen?« Buhle fühlte, wie die Anspannung noch zunahm.
»Behauptet Grehler zumindest. Wir sollen jetzt erst mal da wegbleiben, damit die Schnüffelnasen in Ruhe suchen können.«
»Und wo geht die Spur weiter?«
Kienzigs Augen verdunkelten sich ein wenig. Dann sagte er etwas leiser: »Gar nicht. Sie endet da.«
Die beiden erfahrenen Kriminalbeamten sahen sich an. Jeder wusste, was das bedeuten konnte.
5
Luxemburg-Stadt; Freitag, 10. Juni
Mario Reno stand wie so häufig nach der Arbeit an der Bande des Stade Achille Hammerel . Seit Jahren nun schon fragte er sich, warum er immer wieder hierher zurückkehrte. Zuerst hatte er den Niedergang des ehemaligen Europapokalteilnehmers und mehrmaligen Meisters Union Sportive Luxembourg in diesem Stadion miterlebt. Er endete mit dem Abstieg 2005. Im gleichen Jahr kam dieser unsägliche Zusammenschluss mit Spora Luxembourg und dem FC Aris Bonnevoie. Dass der Verein den Club aus dem Vorort Bonneweg schluckte, um in der ersten Liga zu bleiben, hätte er noch verstanden. Aber Spora, denen Union Anfang der Neunziger den Titel abgenommen hatte, um ihn zweimal zu verteidigen, musste doch nun wirklich nicht mit ins Boot geholt werden. Doch das war alles Geschichte, und er stand immer noch hier. Zujubeln konnte man auch dem jetzigen RFC Union Lëtzebuerg schon lange nicht mehr.
Der Verein veranstaltete zu Pfingsten ein großes
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