Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
verschwand er auch wieder.
Nach einer kleinen Pause fragte ich Ines erstaunt: »Was war das denn?«
»Ein Lob«, antwortete sie und grinste. »Mit dir redet er anscheinend nicht mehr. Aber lass mal, ich wische deinen Fettnapf
aus.«
In der Bar war wenig los, als wir sie nach sechs Eimern Wasser, fünf Putzlappen und drei Mülltüten betraten. Zwei Tische waren
besetzt, am Tresen saß niemand.
Pierre drehte sich zum Eingang um, während er weiter Gläser polierte, und strahlte uns entgegen.
»Ah, die zwei berühmten schönen Schwestern aus der schnuckeligen Pension. Habt ihr die Schlacht geschlagen?«
»Diesen blöden Artikel hatte ich schon völlig vergessen.« Ich schwang mich auf einen Barhocker und sah mich um.»Vielleicht kannst du deine Begeisterung etwas leiser kundtun, das ist ja nur peinlich.«
Pierre ließ das Geschirrhandtuch sinken und beugte sich mit aufgerissenen Augen vor.
»Der war doch süß, der Artikel. Aber erzählt mal: Was ist das denn für ein Geheimnis?« Er legte den Finger auf die Lippen.
»Bei mir ist es sicher, ich liebe Geheimnisse. Ist irgendwas mit Marleen? Warum seid ihr denn in Wirklichkeit hier? Ich hatte
ja schon so eine Ahnung, wisst ihr, ich spüre ganz oft solche Schwingungen und Atmosphären, ich bin da absolut sensibel. Also?«
»Also, ich möchte gern ein Bier. Ein sensibles.« Ines verschränkte ihre Finger auf dem Tresen. »Kennst du Gisbert von Meyer
näher?«
»Gott bewahre.« Pierre hob theatralisch die Arme. »Er ist ja so unattraktiv. Das ist doch kein Mann, über den man auch nur
nachdenken würde.«
»Genau.« Ich nickte ihm zufrieden zu. »Da hast du ganz recht. Und deshalb kannst du auch sein Geschreibsel ignorieren.«
»Wo Rauch ist, ist auch Feuer.« Er griff wieder zum Handtuch und setzte seine Politur fort. »Das denkt der sich nicht aus.
Der Mann hat doch keine Fantasien.«
»Der hat viel zu viele Fantasien.« Ich sah ihn wieder vor mir. Auf der Jagd nach Johann, den er im vergangenen Jahr als Heiratsschwindler
auffliegen lassen wollte. Johann. Sofort verdrängte ich die aufkommenden Bilder. Jetzt nicht. »Er ist regelrecht sensationslüstern.
Der denkt sich alles Mögliche aus, nur damit er wichtig ist.«
»Nein, nein.« Pierre fuchtelte mit dem Zeigefinger vor meinem Gesicht. »Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme
ich zu der Überzeugung: Da muss irgendwas im Busch sein. Marleen hat mir kein Wort darüber gesagt, dass sie eventuell ihren
Urlaub verlängern würde. Mädels, ihr könntes mir auch sagen, ich komme sowieso irgendwann drauf. Also?«
Ich schüttelte schnell und entschieden den Kopf, meine Schwester entschloss sich für eine andere Strategie.
»Gisbert von Meyer ist zutiefst davon überzeugt, dass meine Schwester die Frau seines Lebens ist.« Sie machte eine kurze Pause,
weil Pierre hysterisch auflachte. »Deswegen hat er sich jetzt hochoffiziell vorgenommen, live herauszubekommen, dass Christine
hier als Journalistin arbeitet. Er Journalist, sie Journalistin – ergibt Happy End. Alles klar?«
»Das glaube ich nicht. Auch wenn er blöd ist, so blöd dann doch wieder nicht. Nein, nein, so leicht speist ihr mich nicht
ab. Es gibt da noch was anderes. Ich lasse nicht locker. Los, raus mit der Sprache!«
Mir wurde warm. Pierre ließ sich nicht mehr abwimmeln. Gesas Satz fiel mir ein: »Er ist nicht verschwiegen.« Außerdem liebte
er Dramen. Auch ohne es aufzubauschen, war Marleens Dilemma schlimm genug. Ich dachte zu lange nach, Ines unterbrach das Schweigen.
»Marleen ist nicht allein im Urlaub.«
»Was?« Pierre schreckte überrascht hoch. »Aber sie macht doch eine Kulturreise. Ich habe sie gefragt, sie kannte vorher niemanden
aus der Reisegruppe.«
»Doch.« Es war vielleicht wirklich keine schlechte Taktik, ein bisschen was zu erzählen. »Er heißt Björn. Sie kennt ihn schon
länger. Und sie ist auch nicht mit einer Reisegruppe unterwegs.«
»Was für ein Björn?« Jetzt kippte Pierres Stimme fast über. »Björn Bruhn? Der auch schon hier war? Der ist doch verheiratet!«
»Getrennt«, korrigierte ich milde. »Seit einem halben Jahr getrennt.«
»Aber das habe ich überhaupt nicht gemerkt. Sie ist doch nicht mit ihm zusammen? Der ist jünger als sie. Das passt jagar nicht richtig. Der kann auf keinen Fall ihr Typ sein. Also, ich glaube es ja wohl nicht! Das ist der Hammer!«
Er ließ sich auf einen Hocker sinken und betrachtete uns entgeistert.
»Ich fass es nicht.
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