Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Mit Adelheid zusammen. Da müssen wir uns vorher aber noch
aufrüschen.«
»Genau.« Hannas Kittel hing schon am zweiten Haken. »Zu diesem Guntram Bernd. Adelheid hat ja so von dem Buch geschwärmt,
die hat das schon gelesen. Lauter Verbrechen, Morde und Erpressungsgeschichten. Muss ganz schön sein.«
Adelheid liebte also Verbrechen. Und Morde. Und Erpressungen. Das hätte ich ihr jetzt nicht unbedingt zugetraut. Ich hatte
sie mehr der Liebesromanfraktion zugeordnet.
»Dann wünsche ich euch viel Spaß.«
»Danke, Christine. Bis morgen.«
Bevor ich noch etwas hinzufügen konnte, waren sie schon um die Ecke.
Mit rosigem Gesicht und feuchten Haaren tauchte meine Schwester wieder auf. Sie ließ ihre Saunatasche im Flur fallen und kam
in die Küche.
»Das war super, Christine, du hättest mitkommen sollen.«
Ich half Hans-Jörg beim Gemüseputzen und hob nur kurz den Kopf.
»Du hättest mich fragen können.«
»Hallo, Hans-Jörg, ihr kocht ja immer noch. Ich dachte, Mama und Hanna hätten alles fertig. Ich habe sie auf dem Heimweg getroffen.«
»Mama und Hanna haben den Sinn der fleischlosen Küche nicht so richtig verstanden. Sie haben mir erklärt, unsere Vegetarier
können durchaus die Suppe essen. Sie halten sehr klein geschnittenes Huhn für eine Art Gemüse und haben deshalb nichts anderes
gemacht. Also brauchen wir noch ein vegetarischesGericht. Du kannst mitschnippeln, dann soll Gesa, wenn sie gleich kommt, die Tische eindecken. Wir müssen uns ein bisschen
beeilen.«
»Wieso sind die Tische noch nicht fertig? Und was ist das für eine Tasche, die im Flur steht? Da fällt doch jeder drüber.«
Adelheid stand in dunkelblauem Hosenanzug und weißer Bluse in der Tür und musterte uns missbilligend. Ines drehte sich erstaunt
zu ihr um.
»Was machst du denn hier? Ihr wolltet doch zur Lesung.«
»Es ist erst halb sechs. Ich wollte nur mal gucken, ob hier alles läuft. Hanna und Charlotte sind ja schon weg.«
Sie sah irgendwie anders aus. Hans-Jörg schaute sie mit großen Augen an. Adelheid ließ ihre Blicke über die Arbeitsplatten
schweifen, dann sagte sie: »Die Tasche muss weg« und verließ die Küche genauso schnell, wie sie gekommen war.
»Sie meint deine Saunatasche, Ines.« Ich griff nach der nächsten Karotte. »Und dann kannst du bitte mitmachen. Gemüse für
Frau Stehler. Was wollte Adelheid jetzt eigentlich genau?«
»Keine Ahnung.« Ines ignorierte ihre Tasche, nahm sich aber ein Gemüsemesser und setzte sich. »Ich habe Frau Stehler und ihren
Mann gerade gesehen. Sie schleppten ungefähr fünfzehn Tüten über den Hof, also, er dreizehn und sie zwei. Die Dame hat anscheinend
ordentlich zugeschlagen. Sollen da wirklich Gurken rein? Das ist ja widerlich.«
»Das sind Zucchini.« Ich schob meiner Schwester die restlichen Karotten zu. »Und Morell ist nicht ihr Mann, das ist ihr jugendlicher
Liebhaber. Zusammen nehmen die den Ehemann nur aus. Ein grauenvolles Paar.«
»Niemals schlecht über Gäste sprechen.« Gesa rauschte plötzlich in die Küche. »Sie könnten hinter der Tür stehen.«
»Tun sie das?«
Erschrocken spähte ich in den Flur, Gesa lachte.
»Nein, da steht nur eine Tasche im Weg. Habt ihr Adelheideben gesehen? Total aufgedonnert. Und mit Lippenstift. Ich habe sie kaum erkannt.«
»Sie geht mit meiner Mutter und Hanna zur Lesung von Guntram Bernd. Was sie hier noch macht, wissen wir nicht.«
»Na gut, ich fange mal mit den Tischen an. Ach je, Gisbert von Meyer kommt gerade. Christine, setz dich aufrecht hin.«
Gisbert rannte Gesa fast um. »Tag, Gesa. Hallo, Christine, Ines. Wo ist denn Herr Bernd?«
Ich spülte mein Messer ab und wischte mir die Hände an der Jeans trocken. »Ich habe ihn nicht gesehen. Warte, Gesa, ich helfe
dir.«
Gisbert ließ sich auf einen Stuhl fallen und raufte sich theatralisch die Haare.
»Gott, bin ich nervös wegen dieser Lesung.«
»Du liest doch gar nicht.« Ines reichte Hans-Jörg die letzte Gemüseschale. »Du sollst doch nur den Artikel schreiben.«
»Ach«, unwirsch winkte er ab, »du hast ja keine Ahnung, wie das ist, wenn man alles so hautnah verfolgt. Übrigens, Christine,
wie weit bist du denn mit deiner Geschichte?«
Täuschte ich mich oder hatte er wirklich einen komischen Gesichtsausdruck?
»Das läuft«, entgegnete ich ruhig. »Ich habe schon ordentlich Material gesammelt. Aber entschuldige, ich muss jetzt Gesa helfen.«
Beim Hinausgehen hoffte ich, dass Ines sich nicht von diesem
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