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Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa

Titel: Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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Zimmertür klopfen.
    Mit einem Tablett steuerte er jetzt auf mich zu. »Das ist ja ein tolles Lokal«, sagte er und setzte sich neben mich. »Und
     dass du auch noch zufällig hier bist   …«
    »Danke«, antwortete ich und nahm meinen Kaffee vom Tablett. »Ich bin vor der Hektik in der Küche geflohen. Wahrscheinlich
     klingelt gleich mein Handy, und meine Schwester fragt, wo ich bleibe. Bist du das erste Mal auf Norderney?«
    »Ja.« Tom streckte seine langen Beine aus und richtete den Blick auf die Brandung. »Und ich bin ganz begeistert. Meine Mutter
     ist 75 geworden, wir haben ihr die Reise geschenkt. Sie war als Kind ein paarmal hier im Erholungsheim, und je älter sie wird,
     desto häufiger redet sie davon.«
    »Das ist ja eine schöne Idee.«
    »Ich weiß nicht.« Verlegen lächelnd sah Tom mich an. »Ges tern Abend hat sie gesagt, sie hätte überhaupt keine Ahnung, was sie hier soll. Sie wäre viel lieber nach Mallorca geflogen. Und
     in diesem blöden Erholungsheim hätte es abends immer Hagebuttentee gegeben. Sie hasst Hagebuttentee.«
    »Oh.« Ich setzte mich etwas damenhafter hin. In der Lounge der »Milchbar« geriet man in die Gefahr, sich in die Sessel zu
     flegeln, und schließlich war ich keine sechzehn mehr. »Freut sie sich denn gar nicht?«
    Tom lachte trocken. »Freuen? Keine Ahnung. Sie sagt nicht viel dazu. Ich weiß ja nicht, wie deine Mutter so ist, aber meine
     wird zunehmend schwierig.«
    »Was meinst du damit?«
    Er atmete tief durch. »Sie lebt seit zehn Jahren allein, seit mein Vater gestorben ist. Und sie hat mittlerweile ausgesprochen
     egozentrische Züge entwickelt. So richtig einfach ist unser Verhältnis im Moment nicht. Ach, komm«, er rutschte auf seinem
     Sessel nach vorne, sodass er mich ansehen konnte, »lass uns das Thema wechseln. Erzähl doch mal: Was hast du in den letzten
     dreißig Jahren gemacht?«
    Ich musste lachen. »Chronologisch oder nach Themen geordnet?«
    Bevor er antworten konnte, klingelte mein Handy. Es war Ines.
    »Sag mal, wo steckst du eigentlich? Mama und Hanna kochen Hühnersuppe, als würden wir morgen eine Massenspeisung veranstalten.
     Gisbert von Meyer hängt hier herum, weil ihm sein Autor abhandengekommen ist. Pierre sitzt in der Küche und isst, dazu hat
     Mama ihn gezwungen, deshalb ist Adelheid jetzt sauer und mäht Rasen, und Kalli hat eine halbe Stunde von der Rezeption aus
     mit Papa telefoniert. Gesa hat ihn dabei erwischt. Ich drehe gleich durch.«
    »Ich komme«, antwortete ich mechanisch, ohne den Blick von Tom abzuwenden. »Bin in zehn Minuten da.« Bedauernd stellte ich
     die fast volle Tasse zurück aufs Tablett. »Ich musslos. Bei uns brennt mal wieder die Hütte. Wir holen die Berichterstattung nach, ja?«
    Er stand auf und wartete, bis ich mein Handy in der Tasche verstaut und meine Jacke angezogen hatte.
    »Versprochen?«
    Ich nickte. »Klar. Bis später.«
    Als ich mit langen Schritten zur Pension zurücklief, fiel mir ein, dass ich überhaupt keine Ahnung hatte, ob Tom eine Ehefrau
     und Kinder hatte. Eigentlich wollte ich das im Moment auch gar nicht wissen. Ich war mir nur nicht sicher, warum.
     
    Eine warme Wolke von Hühnersuppe waberte mir entgegen, als ich die Küchentür öffnete. Es war eine Waschküche aus Huhn. Pierre
     saß in einem ärmellosen gelben Shirt am Tisch, vor ihm standen drei Schälchen, aus denen er abwechselnd probierte. Sein Gesicht
     war hochrot, seine Haare angeklatscht und der Blick konzentriert.
    »Hallo, Christine. Magst du mir mal sagen, welche Suppe du am besten findest?«
    Mir wurde schon beim Gedanken daran schlecht. Mit drei Schritten war ich am Fenster und riss beide Flügel sperrangelweit auf.
    »Christine.« Mit beschlagener Brille und einem Kochlöffel in der Hand drehte sich Hanna zu mir um. »Das zieht doch. Charlotte,
     sag deinem Kind, dass sie hier nicht so viel Unruhe machen soll. Ich kann mich gar nicht konzentrieren.«
    »Mhm.« Meine Mutter sah mich nur kurz an, um sich sofort wieder auf ihren Probierlöffel zu konzentrieren. »Hier, Hanna, ich
     habe noch mehr Maggi genommen, so kommt das hin. Christine, mach das Fenster zu, es zieht.«
    »Ihr erstickt doch hier in eurem Hühnerdunst.« Die Küchentür hatte ich extra offen gelassen, jetzt wehte wenigstens ein Hauch
     frischer Luft durch. »Wie weit seid ihr denn?«
    »Wenn uns nicht dauernd jemand stören würde   …« Meine Mutter schnupperte an einer von Marleens Gewürzdosen. »Sag mal, Hans-Jörg, hast du irgendeine

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