Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Betrieb fulltime übernehmen.«
»Dann müssen wir ihr aber sagen, was passiert ist.« Ich hatte meine Zweifel, ob das im Sinne von Björn und Marleen war. »Wir
sollen mit niemandem darüber sprechen.«
Ines verschränkte die Finger im Nacken und schloss kurz die Augen.
»Es hilft nichts«, sagte sie schließlich, »Wir können dasnicht planen. Wir müssen abwarten, was bis Ende nächster Woche passiert. Und dann sehen wir weiter.«
Dieses Mal war ich für die Angewohnheit meiner Schwester, unangenehme Dinge einfach zu verschieben, dankbar.
Wir lösten unser konspiratives Treffen nach einem Blick zur Uhr auf, versuchten, uns gegenseitig aufzumuntern, und verließen
Gesas kleine Wohnung ungesehen.
Zurück in der Pension ging Gesa direkt nach oben, um die Zimmer der abgereisten Gäste zu putzen. Ines murmelte etwas von »Rezeption«,
und ich begab mich in die Höhle des Löwen. Wie ich erwartet hatte, saßen mein Vater und Kalli am Küchentisch und probierten,
was die Gattinnen fabriziert hatten.
»Da bist du ja.« Mein Vater hatte einen Suppenteller vor sich, auf dessen Rand sich massenweise Rosinen aneinanderreihten.
»Du musst mal diese Suppe kosten. Die Rosinen kann man beiseitelegen, der Rest schmeckt gut. Aber es macht viel Arbeit beim
Essen, dieses schwedische Zeug.«
Siedend heiß fiel mir ein, dass ich Johann anrufen wollte. Oder zumindest mein Handy holen und aufladen musste. Das würde
ich gleich tun. Sobald ich Zeit hätte. Erst mal setzte ich mich neben meinen Vater.
»Du kannst die Rosinen auch mitessen, Heinz.« Meine Mutter rollte kleine Hackbällchen. »Du musst ja nicht darauf kauen. Einfach
schlucken. Christine, du bist immer noch blass. Wo ist eigentlich deine Schwester?«
Ich musterte skeptisch das, was Kalli gerade probierte. Es sah aus wie Labskaus. Nur rosa.
»An der Rezeption. Wie wollt ihr eure Kreation nennen? Und wo ist Hans-Jörg?«
»Schwedisches Buffet. Und Hans-Jörg soll Rollmops kaufen, ihr wart ja nicht auffindbar. Deshalb haben wir den Jungen noch
mal losgeschickt. Aber der nette Gisbert von Meyer fährt ihn auf dem Moped, dann geht das schneller.«
»Aha.« Mir wurde schon vom Anblick der Farbe schlecht. »Wie habt ihr das denn so rosa gefärbt?«
»Keine Ahnung.« Hanna und meine Mutter folgten meinem Blick. »Es wurde von selbst so. Schmeckt trotzdem.«
Das Knattern auf dem Hof kündigte die Ankunft des Rollmopses an. Heinz beugte sich vor und sah aus dem Fenster.
»Gisbert hat dem Jungen sogar einen Helm aufgesetzt. Gut so.«
Der Junge hatte auch noch den Abdruck des Helms auf der Stirn, als er in die Küche kam. Er rieb sich die Furche.
»Tag, Christine, also, wir müssen noch mal richtig einkaufen fahren, das ist nicht gut, wenn dauernd etwas fehlt, wir brauchen
ganz viele Sachen, ich habe auch schon einen Zettel geschrieben, und wir …«
»Ja, Hans-Jörg.« Ich nickte ihm beruhigend zu. »Wir fahren nachher mit dem Auto los.«
»Nachher kann ich nicht, lieber morgen früh, und dann müssen wir auch noch …«
»Gut, Hans-Jörg, dann morgen früh. Wie du willst. Hallo, Gisbert.«
Gisbert von Meyer wedelte mit einer Ausgabe der ›Insel zeitung ‹.
»Habt ihr schon gelesen? Ich will ja nichts sagen, aber dieser Artikel ist mir wirklich wieder gelungen. Ich bin gespannt,
was der große Autor dazu sagen wird, aber was soll er sagen? Außer ›Danke‹?«
Er warf die Zeitung auf den Tisch und sah uns auffordernd an.
Mein Vater schob seinen mit Rosinen bekränzten Teller vorsichtig zur Seite, glättete die Zeitung auf dem Tisch und suchte
die Stelle.
»Seite 9.« Gisbert nahm eine Rosine vom Teller und steckte sie in den Mund. Sein Gesicht verzog sich. »Kann es sein, dass
die nach Huhn schmeckt?«
»Schwedisch«, sagte Hanna, nahm den Teller weg und schob Gisbert einen Stuhl zu. »Setz dich hin. Leute, die in der Küche stehen,
machen mich nervös. Tasse Kaffee?«
»Gern.« Gisbert nahm Platz, und ich dachte, dass es
mich
nervös machte, wenn er sich setzte. Jetzt würde er bleiben.
»Aha.« Mein Vater hatte die Stelle gefunden, holte seine Brille aus der Jackentasche und las laut vor:
Starautor auf der Insel – wirklich nur zur Lesung?
Der berühmte Kriminalist Guntram Bernd gab sich gestern Abend die Ehre, im »Conversationshaus« Auszüge aus seinem Werk ›Die
dunkle Seite des Menschen – Leben im Schatten des Verbrechens‹ zu lesen. Der weiße Saal war so gut wie ausverkauft, gebannt hörten die
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