Kein zurueck mehr
Licht, als wir an den Straßenlaternen vorbeilaufen … von einem Lichtkreis zum nächsten …
Hell … dunkel … hell … dunkel …
Schritt … Atem … Wind …
Endlich bringe ich mein Gehirn zur Ruhe …
Wir sind ungefähr drei Meilen gelaufen, als mein Atmen zum Keuchen wird. Ich will nicht aufhören, aber mein Körper gibt auf. Meine Beine machen schlapp. Mein Zeh pocht. Er hat inzwischen wahrscheinlich die Größe von Afrika. Christian macht einen Bogen um mich und rennt an mir vorbei in die andere Richtung.
»Es gibt nur einen Weg zurück«, sagt er, als er an mir vorbeizieht.
Ich drehe mich um und fange an zu gehen – zu humpeln, um genau zu sein. Sein Rücken verschwindet in der Dunkelheit. Über ihm steht der Vollmond tief am Horizont. Er ist riesig und milchig weiß. Ich will gerade versuchen, Christian einzuholen, als er einen Blick über seine Schulter wirft, sich noch einmal umdreht und zu mir joggt. Sein Rennen wird zum Gehen, als er näher kommt.
»Okay«, sagt er, »sieht so aus, als wärst du so weit. Es ist meine Schuld, dass Mirriam Schluss gemacht hat. Ich hab nicht mit ihr reden wollen.«
»Warum nicht?«
»Ich will nicht dazu gedrängt werden. Aus Prinzip.«
»Blödsinn«, sage ich.
Er fängt an zu widersprechen, aber ich falle ihm ins Wort.
»Du willst reden, aber du hast Schiss. Was soll sie schon tun? Sich von dir trennen?«, sage ich und er lächelt. »Da hast du doch schon Schlimmeres bewältigt.«
»Eben nicht bewältigt, Kröte.«
»Na, dann ist es aber Zeit.«
»Da hast du wohl recht.«
Sein Atem formt sich zu Miniwölkchen und erinnert mich daran, dass es noch immer kalt ist. Der Wind stellt die Haare auf meinen Armen auf. Entgegen aller Logik ist Gehen mit meinem Zeh schmerzhafter als Laufen. Ich jogge wieder los. Nach ungefähr dreißig Schritten holt er mich ein.
»Was ist mit dir?«, fragt er. »Was hast du bewältigt?«
Ich schüttele den Kopf und hefte meinen Blick auf den Horizont. »Kein Reden. Keine Fragen. Deine Regeln.«
Er läuft ein Stück hinter mir und ich kann den Gleichklang unserer Schritte hören. Als wir zurückkommen, halte ich mich an seiner Schulter fest und hüpfe die Stufen hoch, da nun auch mein Knöchel in das Pochen eingestimmt hat.
Im zweiten Stock deutet er auf die oberste Stufe. »Setz dich hin. Lass mich mal sehen.«
Ich setze mich und er springt zwei Stufen runter, geht in die Knie und zieht behutsam meinen Schuh aus. Er spult die ganze Doktormasche ab, beobachtet mein Gesicht, während er meinen Fuß in die eine Richtung dreht und dann in die andere. Wenn es nicht so wehtun würde, wäre es direkt witzig.
»Wie ist das passiert?«, fragt er.
»Ich bin einfach … ich, ähm, hab der Couch einen Tritt verpasst und den Bettrahmen erwischt.«
»Gute Wahl.«
Ich verdrehe die Augen.
»Im Ernst, besser eine Couch als ein Mensch. Du darfst so mit Mirriam nicht umspringen, ist das klar? Mit keiner Frau. Mit niemandem. Das weißt du, oder?«
Ich schlucke und nicke beiläufig. Ich versuche es wieder mit der Ablenkungstechnik.
»Ja natürlich. Denkst du, es ist gebrochen?«
»Halte ich für unwahrscheinlich. Du bist gerade sechs Meilen damit gerannt. Du musst den Fuß nur eine Weile schonen, okay?«
Klar, Coach Davis wird begeistert sein .
»Denk dran: schonen, kühlen …«
»Kompresse drum und hochlegen«, bringe ich den Satz für ihn zu Ende. »Ich könnte einen Doktortitel in Erster Hilfe haben.«
»Das glaube ich.«
Er packt mich am Handgelenk und zieht mich hoch. Ich warte, bis er vorausgegangen ist, damit ich meine Hand wieder auf seine Schulter legen kann, während wir die restliche Treppe hochgehen. Im obersten Stockwerk sagt er: »Bist du sicher, dass du okay bist?« Als ich nicke, sagt er: »Dann werde ich noch mal schnell …« Er deutet mit dem Kopf auf Mirriams Tür.
»Gut.«
Während ich durch unsere Tür humpele, höre ich, wie er an Mirriams Tür klopft. »Es gibt da ein paar Sachen, die ich dir erzählen will«, sagt er. »Kann ich reinkommen?«
Ihre Tür öffnet sich quietschend und ich mache unsere zu. Ich setze mich auf die Couch. Ich warte und starre auf unseren Türknauf. Er dreht sich nicht. Ich ziehe meine Turnschuhe aus. Der Nagel meines großen Zehs ist geschwollen und rot. Drum herum und darunter hat sich eine Blutkruste gebildet.
Ich hole mir eine Packung gefrorene Erbsen aus dem Tiefkühlschrank. Ich lege sie auf meinen Fuß und starre auf den Türknauf. Er dreht sich immer noch nicht. Auch
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