Kein zurueck mehr
die Schultern, als spürte er auch ohne hinzusehen, dass ich da war. Er schüttelte den Kopf und ich wusste, ich sollte mich raushalten. Ich schlich hinüber zur Wand und beobachtete alles.
»Ich bin dein Vater. Ich sage dir, was du zu tun hast, und du tust es.«
»Nicht, wenn du meine Mutter schlägst, du Arschloch.«
»Christian, das reicht«, sagte meine Mutter, packte ihn am Arm und versuchte ihn aus der Reichweite meines Vaters zu lotsen.
»Was ist denn?«, sagte Christian. »Du willst mich schlagen, aber du kannst es nicht, weil sie am längeren Hebel sitzt, nicht wahr?«
Christian sah es nicht kommen. Sein Kopf knickte zurück, als Dad ihm eine knallte, und Christian, der noch nicht darin geübt war, solche Schläge einzustecken, fiel nach hinten und schlug mit dem Kopf auf den Boden.
Lektion Nr. 6 : Um die Gefahr einer Gehirnerschütterung zu reduzieren, sollte man auf dem Weg nach unten das Kinn anziehen.
Ich schrie; ich war auch noch nicht darin geübt, stummer Zeuge zu sein.
Am nächsten Tag packte sie die Sachen, während er bei der Arbeit war. Ich aß gerade eine Tüte Schoko-Chips zum Mittag, als das Taxi vor dem Haus hupte. Christian packte mich an der Hand. Als wir durch die Garage nach draußen gingen, sah ich mein Fahrrad. Ich griff nach dem Lenker und begann, das Fahrrad neben mir herzuschieben.
»Nein, mein Schatz«, sagte meine Mom. »Das kannst du nicht mitnehmen.«
»Dann komm ich nicht mit«, sagte ich. »Ich will mein Rad.« Die Vorstellung von einem neuen Fahrrad stimmte mich hoffnungsvoll. »Es sei denn, ich krieg im Frauenhaus ein neues.«
»Das sehen wir dann, wenn wir da sind.«
»Nein«, sagte Christian. »Du bekommst kein neues Rad. Mensch, Mom, sei doch wenigstens ehrlich zu ihm.«
Er kam zurück und nahm meine Hand. Ich klammerte mich an das offene Garagentor.
»Aber Dad weiß doch gar nicht, wo wir sind.«
»Das ist ja der Sinn der Sache, du Dumm …«
»Christian«, sagte Mom.
Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er hätte meine Finger von dem Tor loseisen können. Er hätte mich wegreißen können. Er ließ nur meine Hand los und ging weiter.
»Ich denke, es ist besser abzuhauen. Also, ich gehe jetzt.«
Ich ließ los und lief hinterher, nicht ohne einen letzten Blick auf mein Fahrrad zu werfen. Als ich mich wieder umdrehte, war mein Dad aus dem Nichts aufgetaucht. Sein Auto versperrte dem Taxi den Weg. Das Gesicht meiner Mom sank in sich zusammen, der Mund offen, die Wangen eingefallen. Er bezahlte den Fahrer, fuhr sein Auto zur Seite und scheuchte uns zurück.
»Ein Taxi? Gar nicht so dumm, Jennifer.«
Meine Mutter biss sich auf die Lippe und wich meinem Blick aus. Christian und ich wussten beide, dass das Taxi nicht ihre Idee gewesen war, dass es vom Frauenhaus arrangiert worden war.
»Du hast uns beobachtet? Ich kann nicht glauben, dass du uns beobachtet hast.«
»Ich muss dich nicht beobachten, um zu wissen, wie dein kleines Gehirn funktioniert.«
Jahre später erfuhr ich, dass diese rätselhafte Bemerkung nichts mit hellseherischen Fähigkeiten zu tun hatte. Er wusste Bescheid, weil meine Mom eine große Summe Geld abgehoben hatte und er über jede Kontobewegung per E-Mail benachrichtigt wurde. Danach entzog er ihr den Zugriff auf das Konto und händigte ihr für alle Besorgungen Bargeld aus, wodurch viele peinliche Situationen entstanden.
Wir gingen in die Garage und ich spürte, wie meine Körpertemperatur innerhalb einer Sekunde von heiß zu kalt wechselte. Das Garagentor schloss sich hinter uns und nach und nach verschwand das Sonnenlicht.
Was mich am meisten erschreckte: Er war ruhig, er war bedächtig, als er nach dem Hammer griff. Ich sah, wie er die Hand ausstreckte und einen Nagel aus seiner blauen Werkzeugkiste auswählte. Normalerweise gab es Gebrüll und Beschimpfungen, bevor die Schläge kamen. Aber dieses Mal ging er einfach auf sie zu, den Hammer und den Nagel in der Hand. Sie wich zurück, zurück, zurück, zurück, bis ihre Füße gegen die Wand stießen.
»Walter.«
»Du weißt, was ich immer darüber gesagt hab, mir meine Kinder wegzunehmen.«
»Du weißt, was ich immer darüber gesagt hab, meine Kinder zu schlagen .«
Er hob den Hammer und schlug zu. Ich schloss die Augen und spürte, wie Christian den Arm um mich legte. Ich sackte zusammen und er hielt mich fest, während ich mein Gesicht in seiner Seite vergrub. Ich hörte das Krachen des auftreffenden Hammers. Christian stieß in einem großen Atemzug die Luft
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