Keine Angst vor Anakondas
Wasser baden gehen. Philippe Cousteau, Jacques-Yves’ Sohn, lag außerhalb eines Stahlkäfigs auf der Lauer. Doch nichts geschah. Die Haie zeigten kein Interesse an dem Neopren-Dummy. Als der Dummy aber innen mit Fischstücken versehen wurde, rochen die Haie das Blut und umrundeten Arthur. Ein Weißspitzen-Hochseehai schwamm einen Scheinangriff und strich dabei mit dem Maul über das rechte Bein der Puppe. Danach wendete er und schwamm mit weit geöffnetem Maul auf Arthurs Bein zu. Kurz darauf hörte Philippe Cousteau das grässliche Geräusch eines Hais, der auf Stahl beißt. Der Hai ruckelte wild und riss dem Dummy das Bein ab. Ein Stahlstab, der wie ein gebrochenes Bein hervorstand, blieb übrig. Philippe Cousteau ahnte, was nun geschehen würde. Er stoppte das Filmen und kehrte hastig in seinen Käfig zurück. Von nun an stürzten sich die Haie blindlings auf alles, was im Wasser war. Einer von ihnen prallte mit voller Wucht gegen seinen Käfig.
Seit diesem Versuch wussten sie, dass Neopren alleine Haie nicht davon abhält, zuzubeißen. Dieser Zahn wurde ihnen gezogen. Außerdem ist Raserei unter Tieren ein bekanntes Phänomen: Vom Blutrausch getrieben, ruhen Marder im Hühnerstall erst, wenn alle Hühner totgebissen sind. Selbst unser treuester Freund, der Hund, beißt wild um sich, wenn er auf einen ungeliebten Artgenossen trifft. Kommt ihm dabei das Bein seines Herrchens in den Weg, ist es im besten Fall nur die Hose, die Schaden erleidet. Erregte Tiere ticken anders, können gefährlich werden.
Na also! Die beiden Kreaturen sind doch aus der Ruhe zu bringen. Die Haie spüren die Angst der beiden unförmigen Lebewesen. Wer Angst hat, ist aus Fleisch und Blut, auch wenn die schwarze Haut und die runden Dinger auf den Rücken ihnen sehr ungewöhnlich erscheinen. Die beiden Lebewesen überraschen sie mit einem eigenartigen Verhalten: Sie stellen sich senkrecht im Wasser auf. Als Nächstes bewegen sie ihre Flossen und treiben nach oben. Das gefällt dem Hai nicht. Es wird höchste Zeit, mit den beiden in direkten Kontakt zu treten, sie abzuschmecken. Ein Probebiss wäre jetzt genau die richtige Maßnahme. Sollten dabei Zähne abbrechen, kein Problem, sie werden schnell ersetzt. Haie haben ein Revolvergebiss, bei dem die Zähne auf der Innenseite des Kiefers beständig nachwachsen. Hinter jedem aufrecht stehenden Zahn wachsen mehrere neue Zähne nach, die flach im Mundraum liegen und erst bei Bedarf ihre tödliche Position im Raubfischgebiss einnehmen.
Der Weißspitzen-Hochseehai bricht plötzlich aus der Runde aus und schnappt nach dem Kameramann. Unerwartet geschickt weicht der dem Biss aus und haut ihm einen harten Gegenstand auf die Schnauze. Verdutzt zieht sich der Hai zurück. Mit dieser Härte hat er nicht gerechnet. Nun rücken auch die Blauhaie näher an die beiden Lebewesen heran. Lauernd umkreisen sie die beiden Taucher.
Aufrecht währt am längsten
In senkrechter Position lassen Jacques-Yves Cousteau und Frédéric Dumas sich nach oben treiben. Ein Ratschlag im Wasser zur Vermeidung von Haiangriffen besteht tatsächlich darin, im Wasser in die aufrechte Position zu gehen. Eine den Haien vertraute Beute macht das nicht. Für Sekunden eine Verschnaufpause, die Leben retten kann. Regel Nummer eins aber sollte sein: keine Panik! Ruhe bewahren und keine Angst zeigen. Aber mal ehrlich, den Badegast oder Schwimmer will ich sehen, der dazu in der Lage ist. Rücken an Rücken stehen die beiden Taucher im Wasser. So können sie wenigstens verhindern, von hinten angegriffen zu werden. Sie benutzen ihre Unterwasserkamera als letzte Barriere, strecken sie aufgerissenen Hai-Mäulern entgegen, um sich vor deren wüsten Attacken zu schützen. Frédéric Dumas zieht sein Tauchermesser. Ein Messer gegen Mäuler voller Haifischzähne, das klingt nicht gut!
Wie aber verhält man sich richtig bei Haiattacken? Der Tauchpionier Hans Hass und seine Crew von der Xarifa schworen darauf, im Wasser laut zu schreien. Das soll die Haie erschrecken, zum Rückzug zwingen. Die Crew der Calypso bezeichnet diesen Tipp als kriminell. Sie haben Haie durch Schreie und Klatschen mit der Handfläche auf das Wasser angelockt. Ihrer Erfahrung nach kann ein Schrei einen sofortigen Angriff auslösen. Diese Fische sind ein Mysterium. Wahrscheinlich ist an beiden Aussagen ein Funken Wahrheit. Einige Haie mögen den lauten Schall als schmerzhaft empfinden und fliehen, andere nicht. Wenn Schreie sie in unmittelbarer Umgebung erschrecken, dann
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