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Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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an Knetgummi erinnerte.
6
    Knetgummi?
5
    Atemlos riß er die Puppe hoch und starrte auf die zerfetzten Stoffränder der Bauchdecke. Jetzt konnte er sehen, daß es keine Garnfäden waren, die er durchgerissen hatte, sondern haarfeine, feste Drähte.
4
    Ich habe mir einen kleinen Gag ausgedacht, der es mir erschwert.
3
    Dran käme ich schon, aber es wäre mit mächtig viel Aufwand verbunden.
2
    Etwa so, als ob du Zigaretten hinter die Schrankwand wirfst, um dir das Rauchen abzugewöhnen.
1
    Du müßtest schon die ganze Wand abbauen, was absurd wäre. Aber ich war ein absurder Mensch. Lieber dafür sor-gen, daß kein anderer drankann, als selber dranzukommen.
0

Keine Angst
    Leer, die Straße. Mitternachtswind.
    Andy zieht den Kragen seiner Fliegerjacke hoch und drückt sich tiefer in den Hauseingang. Der Schatten umgibt ihn wie eine zweite Haut. Er wartet.
    Die Tierhandlung auf der anderen Seite ist immer noch hell erleuchtet. Die gab’s schon, als Andy noch ein Knirps war, eben groß genug, um mit der Nase den unteren Rand des Schaufensters zu verschmieren. Hamster, Streifenhörnchen, Schildkröten, und Andys sehnsuchtsvolle Augen. In Ermangelung spendierfreudiger Eltern hatte er sich damit begnügt, den Krabblern Namen zu geben, insbesondere den Streifenhörnchen. Die konnte er am Fell auseinanderhalten, was bei den Mäusen und Hamstern schon schwieriger war, von den Schildkröten ganz zu schweigen. Die Hörnchen hatte er wirklich geliebt. Wann immer eins verkauft war, heulte er Rotz und Wasser, bekam eine geknallt und wurde weitergezerrt. Jedesmal dasselbe Theater. Gingen seine Eltern vorsorglich auf der anderen Straßenseite, plärrte er noch lauter, der kleine, arme Andy, und wieder flog die große klatschende Hand heran. Immer und immer wieder, bis er endlich still war.
    Andy schnaubt verächtlich. Das war früher. Nicht gut, so viele Erinnerungen. Jetzt ist jetzt.
    Drüben im Laden klappt der Zoohändler ein großes Buch zu. Dann kontrolliert er die Käfige. Aus einem nimmt er was raus, ein kleines Tier, könnte ein Hamster sein oder ein Hörnchen. Es wuselt in seiner Handfläche, und er krault ihm den Nacken. So genau kann Andy das nicht erkennen von der anderen Straßenseite. Einen Moment lang fragt er sich, ob wohl alles anders geworden wäre, wenn seine Eltern ihm so ein Tierchen geschenkt hätten, an dem man seine Liebe auslassen kann.
    Aber das Thema ist durch. Andy will keine Tierchen mehr. Heute nacht will Andy was ganz anderes.
     
    »Bambi, du bist eben eine Dame«, sagt Flint zu dem Tier in seiner Handfläche. Seine Finger streicheln den braunen Pelz mit den schwarzen Streifen. »Eine richtige Dame bist du.«
    Bambis kleine Krallen pieksen ihn ein bißchen. Mittlerweile ist das Tier so zutraulich, daß er es schon mehrfach mit nach Hause genommen hat. Ohne Käfig, einfach so. In die Hand genommen, die andere schützend drüber. Bambi hat sich reingekuschelt in die warme Muschel und ist brav sitzengeblieben, bis sie in der Wohnung waren.
    Während Bambi vor Behagen die Glieder streckt, geht Flint noch einmal die Käfige ab. Mehrere Streifenhörnchen geben zu verstehen, sie seien nicht sattgeworden. Flint grinst und schneidet ihnen Grimassen. Er ist so müde, daß es beim Gähnen gefährlich knackt. Buchführung ist öde. Darum erledigt er den Zahlenkram immer nach Geschäftsschluß im Laden. Das Gepiepe und Geschnattere ringsum hält ihn wach. Alles seine Freunde. Seine Familie.
    Besonders Bambi.
    Ob Bambi intelligent ist? Wahrscheinlich sentimentaler Quatsch. Der Durchschnitts-IQ seiner Ware hält sich in kümmerlichen Grenzen. Aber manchmal denkt er schon, daß hinter Bambis schwarzen Augen mehr steckt als der beschränkte Verstand eines Hamsters oder Kaninchens. Ist halt schwer zu sagen. Im Grunde auch nicht wichtig. Trotzdem. Auf ein Prachtexemplar wie Bambi will Flint stolz sein, und dazu gehört eben auch der Glaube an ein bißchen Grips.
    Grün beleuchtet von den Aquarien machen Flint und Bambi ihre letzte Runde. Lauter kleine heile Welten. Flint gähnt wie ein Scheunentor. Bambi tapst seinen Ärmel hoch und läßt sich widerwillig zurück in die Handfläche schieben.
    »Willst wohl noch Mäuse fangen, was?« Flint lacht. »Nichts da. Wir gehen nach Hause.«
    Nacheinander löscht er die Lichter, tritt aus dem Laden in die kühle Dezemberluft, schließt ab und legt schützend seine Hand über das Fell. Alles in Ordnung.
    Zu spät bemerkt er, daß überhaupt nichts in Ordnung ist.
    Andy ist mit

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