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Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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mürrisch.
    »Na gut.«
    »Hab’s Ihnen anvertraut und basta, aber Sie haben ja keinen Mumm.«
    Ich setzte mich auf ihre Bettkante und versuchte, sehr freundlich und geduldig auszusehen.
    »Es ist nun mal schlecht für das Renommee eines Krankenhauses«, erklärte ich, »wenn die Patienten und ihre Angehörigen zu dem Schluß gelangen, einer der Ärzte sei geisteskrank und würde ihnen die Hände abschnippeln und all so was. Noch dazu, wenn zweifelhaft ist, ob es sich überhaupt so verhält.«
    »Ich bin aber davon überzeugt!« beharrte sie trotzig.
    »Ich nicht. Schauen Sie, die Leute haben ohnehin viel zuviel Angst. Alle Tage steht was in der Zeitung von betrügerischen Krankenschwestern oder kleinen Halbgöttern, die ihr eigenes Euthanasieprogramm durchziehen. Ich will hier keinen Ärger haben.«
    »Sie müssen doch zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß ich eventuell und vielleicht und unter Umständen nicht ganz falsch liege.«
    »Dann ist es erst recht von Wichtigkeit, daß Sie den Mund halten. Vorausgesetzt, Sie haben recht, kann das gefährlich für Sie werden.«
    »Schon klar.«
    »Gut. Mein Vorschlag ist, vergessen Sie’s, Miss Holmes. Falls aber nicht, lassen Sie mich unbedingt teilhaben an Ihren Erwägungen, Rückschlüssen und Enthüllungen, bevor Sie Pressekonferenzen geben.« Ich machte eine Pause. »Und wenn mal gerade kein Killer durch Ihre sehr verehrten Hirnwindungen rutscht, würde ich mich freuen, wenn wir noch mal Schach spielen.«
    Sie grinste und schnitt mir ein Gesicht.
    »Ich werde Ihnen beweisen, daß ich recht habe. Zu guter Letzt werden Sie reagieren müssen.«
    »Ja«, seufzte ich. »Das werde ich wohl.«
     
    Naiverweise ging ich davon aus, der Fall sei erledigt. Weit gefehlt.
    Ich saß keine fünf Minuten am Schreibtisch, als das Telefon schellte. Das Vorzimmer teilte mir mit, Gretchen sei am Apparat. Ergeben nahm ich das Gespräch an.
    »Ich bin’s«, sagte sie.
    »Gretchen, wie schön«, log ich. »Muß es jetzt sein?«
    »Ich würde gerne den Spiegeltest mit Ihnen machen. Damit Sie mir endlich glauben.«
    »Spiegeltest?«
    »Im Waschraum.«
    »Ach so. Gut, daß Sie es erwähnen, das hatte ich vorhin vergessen. Ich bin mittlerweile auch ein bißchen schlauer. Diese Art Spiegel taugt nur was, wenn man ganz dicht davorsteht. Vom Flur aus können Sie gar nichts gesehen haben.«
    Am anderen Ende der Leitung entstand eine gefährliche Pause.
    »Wollen Sie andeuten, ich lüge?«
    »Nein«, sagte ich begütigend. »Natürlich nicht. Aber Sie haben sich täuschen lassen. Ich bin sogar sicher, daß Sie der festen Überzeugung sind, zwei ringförmige Narben gesehen zu haben, aber das geschah infolge einer optischen Verzerrung, nicht, weil sie tatsächlich da waren.«
    »Ich kann beweisen, daß sie da waren.«
    Wie ein Klette!
    »Entschuldigen Sie, Gretchen, aber ich stehe wirklich unter Zeitdruck. Sollen wir nicht lieber einen Termin zum Schachspielen ausmachen?«
    »Schach hat sich erst mal erledigt«, sagte sie kühl.
    Ich verdrehte die Augen.
    »Gretchen …«
    »Doc! Liebster Doktor. Geben Sie mir fünf Minuten. Bitte! Mehr verlange ich doch gar nicht. Fünf lausige Minuten! Wenn Sie dann nicht überzeugt sind, gebe ich klitzeklein bei. Dann werde ich für alle Zeiten die Klappe halten. Auch, wenn’s schwerfällt.«
    Es gibt keinen Killer, wollte ich klarstellen. Wir vergeuden unsere Zeit. Das hier ist ein stinknormales städtisches Krankenhaus und kein Abenteuerspielplatz. All das hätte ich ihr erzählen sollen.
    Statt dessen hörte ich mich sagen: »Also meinetwegen. Morgen abend.«
    »Warum erst dann?« kam es enttäuscht.
    »Weil ich der ärztliche Direktor eines Krankenhauses mit 1150 Betten und dreizehn Abteilungen bin. Können Sie sich meinen Arbeitstag vorstellen? Im allgemeinen spiele ich nicht mal Käsekästchen mit unseren Patienten, geschweige denn Schach, und schon gar nicht Detektiv. Morgen abend, letztes Angebot. Sagen Sie ja, oder wir lassen es bleiben.«
    »Ja«, sagte sie brav.
    Mir schien fast, daß sie das Ganze als Spiel auffaßte. Allein die Tatsache, daß sie sich an mich gewandt hatte und nicht an die Polizei, ließ vermuten, daß der Jagdinstinkt des Analytikers in ihr geweckt war. Es ging ihr nicht allein darum, daß die Gerechtigkeit ihren Lauf nahm. Hinweise aus der Bevölkerung, dafür war sie sich zu schade. Sie wollte diejenige sein, die das Biest zur Strecke brachte.
    Ich meinerseits wollte keine Miß Marple in meinem Krankenhaus. Auch

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