Keine Angst
zu laufen.«
»Ich weiß selber, daß es eine dämliche Falle ist«, gab sie unwirsch zurück. »Aber er weiß es nicht. Was hat er denn für eine Alternative? Kommt er nicht, muß er damit rechnen, daß die Person, die ihn laut eigener Aussage kennt, sauer reagiert und ihn verpfeift. So oder so ist seine Situation äußerst prekär. Er wird kommen, so blöde die Falle auch ist.«
Die einfachsten Ideen sind oft die wirkungsvollsten. Sie schien schon wieder recht zu haben.
»Und dann?« fragte ich mutlos, weil sie ja doch auf alles eine Antwort hatte.
»Dann haben wir jemanden gesehen und können uns die nächsten Schritte überlegen«, verkündete sie mit Siegermiene.
»Mhm. Hm.«
Sie reichte mir ein Blatt herüber.
»Hier. Ich habe die Vorlage schon gemalt. Das müssen Sie faxen. Um die Tür zum Waschraum kümmere ich mich selber.«
»Und wenn er morgen gar nicht erst an dieser Tür vorbeikommt? Angenommen, er arbeitet tatsächlich in der Chirurgie, werden Sie ihn hier nicht zu sehen kriegen. Und er nicht Ihre Botschaft.«
»Hm.« Gretchen runzelte die Stirn. »Sie haben recht. Aber auch das ist kein Problem.«
Sie nahm einen Filzstift und schrieb auf die Faxvorlage:
Waschraum
»Fein«, sagte ich. »Morgen tummelt sich dann alles im Waschraum.«
»Nur er weiß, welcher gemeint ist«, sagte sie. »Und was damit gemeint ist.«
»Ach richtig.«
»Tja, an alles gedacht.« Sie grinste. »Also, Doc, schreiben wir Kriminalgeschichte.«
»Ich hoffe nicht. Sind Sie eigentlich immer so hartnäckig?«
»Klar.«
»Na schön.« Ich ließ mich in meinem Ledersessel zurücksinken und verschränkte die Arme hinterm Kopf. Wir hatten eine geschlagene halbe Stunde in meinem Büro gesessen und Pläne geschmiedet. Nie zuvor hatte ich soviel Zeit in einen Patienten investiert, ohne dabei so wenig für seine Gesundheit zu tun. Aber es war eben unvermeidlich.
»Seien Sie mir nicht böse«, sagte ich. »Aber ich schmeiße Sie jetzt raus. Hier liegt noch ein Haufen Arbeit.«
Gretchen erhob sich.
»Sie verschicken das Fax?« Es klang mehr wie eine Feststellung als eine Frage.
Ich nickte feierlich.
»Ja«, sagte ich. »Ich verschicke das Fax.«
Am Abend des folgenden Tages präsentierte ich ihr einen Stapel Ausdrucke, was sie in pures Entzücken versetzte.
»Wir haben ihn«, rief sie und klatschte in die Hände.
»Nichts haben wir«, versuchte ich ihre Begeisterung zu dämpfen. »Und wenn die Nummer heute nacht gelaufen ist, ohne daß einer um zwölf am Waschraum war, will ich nie wieder ein Wort von der Geschichte hören. Ist das klar? Nie wieder!«
»Ist ja gut. Sagen Sie mir lieber, wo wir Posten beziehen, damit er uns nicht sieht.«
»Ich dachte, darüber hätten Sie sich Gedanken gemacht, Frau Knatterton.«
»Wieso? Es ist Ihr Krankenhaus.«
Ich überlegte.
Mir würde nichts anderes übrigbleiben, als die Sache mit ihr durchzuziehen.
»Am Flurende befindet sich eine Kammer für Putzzeug«, sagte ich. »Besen, Schrubber und der ganzen Kram. Von dort bis zum Waschraum dürften es gut und gerne vierzig Meter sein. Die Tür hat ein Fensterchen. Wir hocken uns ins Dunkle und beobachten den Flur, bis uns Stielaugen wachsen.«
»Sie sind der Boss«, sagte sie mit demütigem Augenaufschlag.
»Allerdings«, knurrte ich. »Und der Boss geht jetzt was essen.«
»Ich meine schon, wir sollten uns ein Viertelstündchen vorher auf die Lauer legen«, meinte sie. »Unser Freund könnte ebenfalls auf die Idee kommen, sich früher einzufinden und irgendwo in Stellung zu gehen.«
»Niemand wird kommen«, grummelte ich. »Aber wenn’s denn sein muß.«
Nach allem stand mir der Sinn, nur nicht nach dieser Aktion. Was blieb, war die schwache Hoffnung, daß danach endlich Ruhe sein würde. Wenn keiner kam, verlor sie vielleicht das Interesse am Detektivspielen.
Wütend ging ich essen, mein Magen ein einziger Knoten.
Immerhin ließ es sich aushalten in dem Putzraum. Wir hatten einen ausrangierten Schreibtisch, dessen Fächer jetzt diversen Lappen und Bürsten als Ablage dienten, nahe an das kleine Fenster herangezogen, um wenigstens sitzen zu können. Gretchens Schulter berührte meinen Oberarm. Kein unangenehmes Gefühl. Sie mochte verrückt sein, das aber auf sehr attraktive Weise.
Die Zeiger der Uhr über der Tür am gegenüberliegenden Ende des Flurs gingen gegen zwölf.
»Er wird kommen«, flüsterte sie.
»Wird er nicht«, gab ich gedämpft zurück.
»Ihnen fehlt der Glaube.«
»Wir haben immer noch die
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