Keine E-Mail fuer Dich
-Formate für Kult befunden.
Kurz bevor solche TV -Formate aufkamen, ungefähr Mitte der 1990er-Jahre, entwickelten sich im Internet die ersten Kontaktbörsen. Kontakte konnten nun mit einem Klick geknüpft werden. Die Selbstdarstellung im Internet begann, und es wurde uns eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten suggeriert. Es entstand eine neue Freizeitbeschäftigung: sich mit Suchmasken und Profilen beschäftigen und schreiben, schreiben, schreiben! Diese Möglichkeiten waren so revolutionär, dass durch das Internet persönliche Begegnungen im richtigen Leben gravierend verändert wurden. Doch die Frage, wie die Liebe funktioniert, bleibt trotz technischem Optimierungswahn.
Früher, im vordigitalen Zeitalter, lernten sich 72 Prozent aller Paare im Bekanntenkreis, im Studium oder auf der Arbeit kennen. Die Möglichkeiten waren begrenzt, dadurch wurde sich um den Einzelnen mehr bemüht, und dieser bekam mehr Aufmerksamkeit. Dadurch entstand Qualität in einer Beziehung. Heutzutage wird konsumiert und verbraucht, dabei merken die Menschen, dass etwas fehlt, sind enttäuscht, unglücklich, aber sie machen trotzdem weiter.
In Paul Watzlawicks Anleitung zum Unglücklichsein sucht ein Betrunkener seinen Schlüssel unter einer Straßenlaterne und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: »Meinen Schlüssel.« Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: »Nein, nicht hier, sondern dort hinten, aber dort ist es viel zu finster.« Finden Sie das absurd? Ich auch. Aber so kommt mir die Partnersuche im Internet vor.
Wenn man sich im Internet auf die Suche begibt, gibt es ein unübersehbares Problem: Die Profile in Partnerbörsen gleichen sich irgendwie alle. Männer sind »beruflich erfolgreich, gut aussehend, groß, charmant, sportlich, humorvoll, großzügig«. Frauen beschreiben sich gern als »attraktiv«, »haben langes schönes Haar, sind schlank, wiegen 50 Kilo und haben Konfektionsgröße 36«.
Die virtuelle Begegnung ist erst mal verlockend, alles scheint möglich, Versprechungen werden gemacht. Sobald es zur Kontaktaufnahme gekommen ist, handelt es sich um eine richtige Beziehung. Diese ist zwar auf Distanz, aber dennoch da. Diese Art der Kontaktanbahnung wird oft auch aus Angst vor einer Abfuhr im richtigen Leben genutzt. Doch gerade im Netz bekommt man ständig Abfuhren, die oft richtig derb ausfallen, auch das sollte man nicht ausblenden. Wenn jemand Single ist, dann wird das oft wie Arbeitslosigkeit gefühlt. Es ist peinlich und unangenehm. Je länger jemand arbeitslos oder Single ist, desto schwieriger wird es für denjenigen, und auch andere denken und äußern, mit demjenigen »stimme doch irgendetwas nicht«. Selbst wenn nur die Eltern auf der Familienfeier das erwachsene Kind von mittlerweile 40 Jahren mit einem Augenzwinkern dazu auffordern, sich doch endlich »mal einen Freund« oder eine Freundin zu suchen, ist für denjenigen der Tag gelaufen und das Selbstwertgefühl im Keller. Das Internet suggeriert, dass man sich hier schnell »mal« einen Partner suchen könne.
Nachdem man sich angemeldet und ein tolles Profil von sich erstellt hat, antwortet man aus Höflichkeit vielleicht erst mal allen. Dann stellt man fest, dass das Ganze ganz schön viel Zeit kostet. Man verschickt und bekommt vorgefertigte Texte und Floskeln, und erbärmliche Klischees werden bedient: »Ich suche den romantischen Verführer und Gentleman, der mit mir die Welt entdeckt … « Erste Enttäuschung macht sich breit. Das erfolglose Suchen und das »Vorbeiziehen von Profilen« verliert seinen Zauber, es wird langweilig. Wer Begegnung auf Bestellung ablehnt und Qualität sucht, sollte das Ganze besser bleiben lassen. Wer allerdings Quantität sucht, wird im Internet bestens bedient. Doch auch da kommt nach der Euphorie der ersten Monate der Moment der »Sättigung«.
Trotzdem macht man weiter, denn das Internet gibt vielen das Gefühl, überhaupt zu existieren und anerkannt zu werden. Ein grotesker Kreislauf, es ist wie eine Droge, von der man nicht mehr loskommt. Menschen mit einer realen Beziehungsschwäche sind am meisten davon betroffen, denn sie sind immer auf der Suche.
Wir leben in einer Welt von Süchten: Tabak, Alkohol, Kokain, Arbeit, Fernsehen, aber auch Sex, heutzutage ein »ganz normaler Lifestyle«. Dabei sind Webseiten von Kontaktbörsen eine
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