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Keine E-Mail fuer Dich

Keine E-Mail fuer Dich

Titel: Keine E-Mail fuer Dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Kuehne
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ziemlich harte Droge, denn ein Mensch befriedigt kurzfristig die Bedürfnisse eines anderen Menschen. Ins normale Leben zurückzukehren, in die Welt der realen Begegnung und des Kennenlernens, ist für viele mittlerweile fast unvorstellbar, denn »sie wüssten gar nicht mehr, wie das geht mit dem Flirten«, höre ich in meiner Praxis. Kontaktanbahnung im richtigen Leben ist oft mit starken Ängsten besetzt. Ein Viertel der Nutzer geht niemals zu einem Date, das Online-Flirten wird viel häufiger praktiziert, aber das reale Date ist weiterhin der große Moment, auf den »hingearbeitet« wird.
    Das Internet spaltet das Kennenlernen in zwei Phasen. In die Phase der Online-Begegnung und in die Kennenlernphase in der realen Welt, doch zu dieser kommt es oft gar nicht. Dort würde alles wieder von vorn beginnen, das schaffen viele gar nicht. Es stellt sich heraus, dass viele in der realen Welt gehemmt sind und virtuelle Versprechungen nicht einhalten können.
    Hat jemand tatsächlich jemanden gefunden, der ihm gefällt und in den er sich sogar verliebt hat, wird in Phase eins viel Zeit investiert. Da werden Fotos geschickt, gechattet und auch mal die Webcam eingeschaltet, innerlich wird sich schon auf das Treffen vorbereitet. Da wird ein Meer von virtuellen Küssen geschickt, das erwärmt das Herz. Eine 2.0-Romanze ist doch wirklich »was Herrliches«. Es wird versucht, so viel wie möglich über den anderen herauszufinden. Die Informationsbeschaffung ist dank Suchmaschinen wie Google heute keine große Sache mehr.
    In Phase zwei, beim ersten Date, beginnt dann eine neue Geschichte. Uhrzeit und Treffpunkt werden festgelegt, plötzlich fühlt sich alles sehr sachlich und neutral an.
    Doch was passiert, wenn der oder die Angebetete nicht am vereinbarten Treffpunkt erscheint? Beim Warten kommt nicht die allerbeste Stimmung auf. Wenn die Minuten verstreichen und der Verabredete fern bleibt, macht sich panische Angst breit. Die Frage nach dem Warum? nagt stark am Selbstwertgefühl. Man möchte den Grund wissen, eine realistische Erklärung haben, um sich selbst zu beruhigen. Aber man wird die Wahrheit meist nie erfahren. Oft ist der Verabredete am Treffpunkt oder in der Nähe, macht dann aber einen Rückzieher aus Angst vor der Überprüfung des anderen, Angst vor sich selbst, Angst vor anderen, Angst vor seinen eigenen Unzulänglichkeiten. Die Flops haben einen wichtigen Grund: Anders als viele denken, ist ein Treffen nicht die Fortsetzung eines Online-Kontaktes, sondern jetzt treffen sich zwei Menschen in der Realität, die so ganz anders ist als im Netz. Man ruft an, aber die Mailbox ist eingeschaltet. Man geht nach Hause. Dort fährt man den Rechner hoch und sieht, dass »Madame27« – nennen wir die Person mal so – bereits mit anderen »Opfern« beschäftigt ist. Durch so ein Ereignis ist die Beziehung sofort beendet, die doch vorher online so wundervoll begonnen hat.
    Bekommt man aber tatsächlich ein reales Date auf die Reihe, so läuft das immer nach dem gleichen Muster ab: Während man sich aufeinander zubewegt, werden ständig SMS geschrieben. Als eine Art Vergewisserung, dass man tatsächlich auftauchen wird. Das entspannt, auch wenn es rein technischer Natur ist. Diese Nachrichten spielen eine wichtige Rolle, denn man befindet sich in einer Übergangsphase von der Virtualität in die Realität. Plötzlich steht man voreinander, face to face. Das ist der Moment, an dem meistens die große Fantasiewelt zusammenbricht. In die reale Geschichte »überzuwechseln«, dazu sind viele oft nicht in der Lage. Worte stocken, sie sind nicht mehr so geschmeidig, so geistreich, so poetisch. Sinnlichkeit und Erotik sind verschwunden. Während sich zwei echte Menschen näherkommen, erstarren ihre Körper und schaffen Distanz. Der wahre Feind ist das Bild. Verfälschte oder zu alte Fotos sind der Killer Nummer eins, die erste Desillusionierung stellt sich schnell ein. Lügen und Beschönigungen sind im Netz allgegenwärtig. Da stellt sich schnell heraus, dass die angegebene Körpergröße des Mannes nicht 1,72 m, sondern nur 1,65 m, eine Frau nicht schlank, sondern eher vollschlank ist. Innere Schönheit zählt nicht mehr. So wird aus der ersten Begegnung ein peinliches Aufeinandertreffen. Zu einer guten Begegnung gehören Offenheit und Neugier auf den anderen. Der Übergang vom Austausch auf Distanz zum realen Leben aber ist schwierig. Die Offenheit und Neugier sind nicht so stark, denn man weiß ja schon fast alles vom anderen.

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