Keine Frage des Geschmacks
Freizeitskipper mit ihren Yachten aufs offene Meer hinausfuhren. Manche von ihnen brachen zu wochenlangen Törns in dalmatischen Gewässern auf oder in die Ägäis, andere warfen bereits nach fünf Seemeilen vor der Steilküste den Anker, wo die teuren Schiffe dann dicht an dicht lagen, als hätten ihre Eigner Angst vorm Alleinsein. Die Freiheit des Meeres.
»Cremst du mich auch ein bisschen ein?« Gemma legte ihr Oberteil ab.
Laurenti verteilte die Sonnencreme auf Gemmas Bauch.
»Ist das nicht schön hier?«, flüsterte er. »Wir beide ganz allein und trotzdem mitten in der Stadt. Dort drüben, nebenden Gleisen der Standseilbahn, liegt auf halber Höhe die Villa unserer Freundin Daniela mit ihren drei dämlichen Pudeln, links davon die von Guido, der im letzten Jahr seine Schelmerei mit der ›Villa Primc‹ getrieben hat. Du erinnerst dich, er hat in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein Schild mit dem ursprünglichen Namen dort angebracht, was ausgereicht hat, um die Faschisten zum Wahnsinn zu treiben. Und gleich daneben liegt die Superwohnung des Financiers und seiner Frau mit dem plastifizierten Busen, der Geldsack, der stumm wie ein Fisch ist, sobald er sein Büro verlässt. Besser so. Und dann, schau dort rechts, die Paläste entlang den Rive. Ich glaube, ich könnte dir von jedem zweiten Haus eine Geschichte erzählen, die für mich leider immer nur mit Arbeit und menschlichen Abgründen verbunden ist. Und weiter hinten, nahe der Sacchetta, tauchte vor Jahren ein Riesenschinken von Caravaggio auf, die Experten streiten bis heute über seine Echtheit. Laura sollte ihn damals in ihrem Auktionshaus losschlagen, am Ende wurde das Bild aber von der Kulturbehörde konfisziert. Dafür begutachtet sie schon seit Tagen eine private Sammlung, die in einem der anderen Häuser an den Rive hängt. Über die Geschäfte, die in den Gebäuden rund um die Piazza Unità ausgehandelt werden, will ich aber lieber nicht nachdenken. Das Rathaus, die Präfektur, die Landesregierung. Am härtesten wird daran gearbeitet, dass der Hafen nicht wieder konkurrenzfähig wird. Raccaro und seine Bande haben Angst vor Machtverlust. Dafür befinden wir uns hier in der reinsten Idylle.«
Laurenti setzte sich auf die andere Seite und kehrte der Stadt den Rücken zu. Aus der Flasche schoss zu viel von der milchigen Flüssigkeit auf Gemmas glatte Haut, und der seidendünne Flaum in dem Venusgrübchen auf Höhe der Lendenwirbel ertrank darunter. Er massierte mit langsamen Bewegungen die Creme ein und schaute aufs glitzernde Meer hinaus, über das eine leichte Brise fegte.
Sein Blick fiel auf eine edle Segelyacht, deren dunkelblauer Rumpf mit dem Edelholzdeck kaum fünfzig Meter vor der Diga vecchia gemächlich aufs offene Meer hinausglitt. Soeben hatte man die Genua gesetzt, die der Libeccio sogleich blähte und das Boot vorantrieb. In schnörkeligen weißen Buchstaben prangte der Name am Bug: »Amor II«. Hinter einem der beiden großen Steuer stand ein brathähnchenfarbener Mann von etwa vierzig Jahren mit dichter, schwarzer Brustbehaarung und einer weißen Baseballmütze, deren Schirm seinen Nacken vor dem Sonneneinfall schützte.
»Bringst du mir auch ein Glas, Liebe?«, rief er in die Kabine hinunter. Der Wind trug seine Worte zur Diga herüber. »Ohne Sprit läuft hier gar nichts. Warum leistet du mir nicht Gesellschaft? Bring den ganzen Kübel hoch. Und dann setzen wir das Großsegel.«
Noch bevor Laurenti den Blick auf den Rücken Gemmas senkte, hörte er ein ihm vertrautes, glockenklares Lachen, sah einen Champagnerkübel, um den sich zwei schlanke Hände geschlossen hatten, und kurz darauf eine schöne Frau aus der Kabine heraufsteigen, die nur ihr langes blondes Haar zu tragen schien. Sein Atem stockte. Er rieb sich die Augen. Die Sonnencreme brannte fürchterlich. Wie durch einen Schleier sah er die beiden einander zuprosten. Laura! Hatte sie nicht gesagt, dass die Yacht »Amor II« hieß? Hektisch tastete er nach dem Handtuch. Der Skipper hieß also Mariantonietta? Dass diese Frau eine üppige Brustbehaarung trug, hatte sie nicht erzählt. Am liebsten wäre Laurenti aufgesprungen, die Treppen zum Meer hinuntergejagt und zu der edlen Yacht hinübergekrault, die langsam Fahrt aufnahm. Weiße Gischt spritzte über ihren Bug.
»Was hast du bloß, Proteo?«, fragte Gemma, die sich über das abrupte Ende der sanften Massage wunderte und umdrehte. Sie tränkte das Handtuch mit Mineralwasser und tupfte ihm über die zusammengekniffenen
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