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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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maßangefertigten Brogue-Schuhen auszugleichen, deren Plateausohlen dank der Handwerkskunst des englischen Schuhmachers, den er einmal jährlich in der Jermyn Street aufsuchte, kaum auffielen. Ansonsten kleidete er sich eher preiswert. Raccaro umgab sich gerne mit Frauen, die auf ihn herabschauen mussten und die mindestens um so viele Jahre jünger waren, wie sie ihn an Zentimetern überragten. Eigentlich hatte er die Nase stets in ihrem Ausschnitt.
    Auf dem Bildschirm flimmerte eine neue Folge von »Kommissar Rex«, dessen Serienrechte inzwischen ein italienischer Produzent erworben hatte. Samt Hunde-Stuntmen. War die plötzliche Liebe zu den Deutschen Schäferhunden etwa eine Hommage an den Pontifex maximus? Die Filmchen waren nur Füllstoff für die Pausen zwischen den Werbespots, die meist aus der Hand versierterer Regisseure stammten. Hauptsache, es gab keinen Bezug zum politischen Alltag. Märchen für Erwachsene. Aber Geld ließ sich damit verdienen – auch Lele hatte es gerochen. Von der Dachterrasse seiner Wohnung im vierzehnten Stock, zu deren Füßen, dem Teatro Romano gegenüber, auch die Questura lag, hatte er den Überblick. Er investierte in die richtigen Personen, die auf den großen Budgets saßen. Nicht schwer zu erraten, warum er eine Casting-Agentur und die AFI gegründet hatte, die »Action Film Italia«. Ein effizientes Dienstleistungsunternehmen, der Platzhirsch im Norden des Landes, das den Filmproduzenten alles liefern konnte, was sie für ihre Arbeit brauchten. Von den Büroräumen bis zu den Telefonleitungen, Unterkunft und Reisen für Schauspieler und Personal, technisches Gerät bis hin zu Flugzeugrotoren, die Sturm bliesen, wenn Flaute herrschte, Boote und Helikopter. Und beste Verbindungen zu den Behörden, mit denen sich bei den Drehgenehmigungen nachhelfen ließ – und wenn jemand nicht spurte, konnte man ihm damit das Leben schwermachen.Auch wenn die Firma von einer Mailänderin geführt wurde, die ihre Erfahrungen in den USA gemacht hatte, fädelte Raccaro die heiklen Geschäfte jedoch selbst ein. Die AFI sei teuer, aber sehr gut, hieß es in Fachkreisen. Das Geschäftsgebaren jedoch war denkbar einfach, und Leles Argumente waren überzeugend. Erst vor kurzem hatte er einen schönen Stapel frischer Fünfhunderter an einen wichtigen Mann einer deutschen Sendeanstalt übergeben, dessen Macht sich auch in seiner korpulenten Statur ausdrückte, die an jenen dicken Kanzler erinnerte, der vor zwanzig Jahren mit seinem Gewicht die Berliner Mauer zum Einstürzen gebracht hatte. Doch es war nicht Raffaele Raccaros Geld, mit dem er Harald Bierchen schmierte. Der Betrag war bereits in den Rechnungen enthalten, die der mächtige Mann am Ende abzusegnen hatte. Bierchens unendliche Gier, die er immer dreister vortrug, hatte Lele schließlich ernsthaften Kummer bereitet. Nassforsch stellte der Riese Forderungen, die weit über die Absprachen hinausgingen. Er hatte sogar verlangt, dass Raccaro ihn bei seiner Ankunft an der Verladestelle des Autoreisezugs aus Deutschland erwartete, von dem er sein protziges Auto herunterrangierte. Lele war mit seinem alten Motorroller herbeigefahren und hatte dem Geschäftspartner noch an Ort und Stelle einen dicken Briefumschlag und gleich drei Päckchen Kopi Luwak in die Hand gedrückt, die der Dicke nachdrücklich forderte. Dann allerdings begann der Deutsche Andeutungen zu machen. In Bulgarien ließe sich kostengünstiger produzieren, auch die Stadtkulisse von Sofia sei interessant und die Angebote der Verantwortlichen dort besser als die von Raccaro. Und nicht einmal die goldene Patek-Phillip-Calatrava-Armbanduhr, die Lele ihm vor ein paar Tagen mit einem freundschaftlichen Schulterklopfen überreicht hatte, hielt Harald Bierchen davon ab, auch noch mit einem Hinweis an die Triestiner Finanzbehörden zu drohen, sobald das Filmchen hier abgedreht sei. Im Gegensatzzu allen anderen hatte der dicke Mann aus dem Norden keinen Respekt vor Leles Einfluss.
     
    »Das richtige Bild zur richtigen Zeit ist ein Vermögen wert, Aurelio«, sagte Raccaro und schüttelte zweifelnd den Kopf. Mit beiden Händen blätterte der kleine Mann gemächlich einen Stapel Fotos durch und warf ihn schließlich verächtlich auf das Sofa.
    Ein tiefgebräunter junger Mann stand neben dem Sofa. Lele sah sein Spiegelbild im Fenster, durch das auch die Lichter des Polizeipräsidiums auf der anderen Straßenseite fielen. Er war dünn, athletisch von Statur. Das mit reichlich Gel

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