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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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zurückgekämmte lange schwarze Haar betonte die hohen Wangenknochen und die leicht hervorstehenden Augäpfel, deren Iris wie dunkler Bernstein schimmerten. Er hatte schöne volle Lippen, und um seinen Hals baumelte an einer Goldkette ein funkelnder Feueropal von drei Zentimetern Durchmesser.
    »Ich dachte, du hättest mehr bei mir gelernt«, sagte Lele und knackte mit den Fingernägeln die Schale einer Pistazie. »Woher hast du eigentlich die Schramme an der Schläfe?«
    »Nur ein kleiner Kratzer«, winkte Aurelio ab. »Ich habe mich am Türrahmen gestoßen.«
    »Geradeausgehen ist nicht jedermanns Sache.« Das Klingeln des Telefons unterbrach den Alten. Stirnrunzelnd betrachtete er die Nummer des Anrufers und nahm schließlich widerwillig ab.
    »Ah, Laurenti? Was gibt’s? Ich? Zu Ihnen? Worum dreht es sich?« Raccaro sprach in knappen Sätzen, ein alter Trick, um sein Missbehagen auszudrücken. »Eine Vorladung oder ein informelles Gespräch? Eine Zeugenaussage? Ach, nur eine Befragung! Ich bitte Sie! Dafür wenden Sie sich am besten an meine Sekretärin, ich habe keinen Terminkalender zu Hause. Und außerdem verreise ich dieser Tage. Ja, Laurenti, ich machFerien, wann es mir passt. Nicht einmal Sie können mir einen kleinen Törn verwehren. Keine Ahnung, wann ich zurückkomme. Also, ich hoffe, es eilt nicht, mein Lieber. Und einen schönen Abend noch, Commissario.«
    Er legte auf und schluckte trocken. Was fiel diesem Bullen eigentlich ein, ihn daheim anzurufen und in die Questura zu bestellen wie einen kleinen Gauner? Sollte er doch einen Termin ausmachen und selbst vorbeikommen. Zu Geschäftszeiten natürlich, im Büro. Raccaro nahm sich vor, eine entsprechende Bemerkung fallenzulassen, sobald er zu irgendeinem offiziellen Anlass dem Präfekten begegnete. Dann räusperte er sich und wandte sich wieder dem jungen Mann zu.
    »Was wollte er?«, fragte Aurelio. Er konnte seine Anspannung nur mühsam verbergen.
    »Plaudern. Was sonst. Wir sind schließlich alte Kameraden«, flunkerte Lele, kam dann aber aufs Thema zurück. »Und nun zu dir: du hast eine eigene Wohnung und dein monatliches Auskommen, für das du reichlich wenig tun musst. Wieso bekommst du den Hals nicht voll? Du kannst von Glück reden, dass es sich um eine Ausländerin handelt, die sich hier nicht auskennt und keine Ahnung hat, wie sie gegen diesen Schweinekram vorgehen kann. Die Mühlen der Behörden bei der internationalen Zusammenarbeit mahlen in Zivilsachen noch langsamer. Mit einer Italienerin aber würde ich das an deiner Stelle nicht riskieren, das könnte dich ruck, zuck den Kopf kosten, wenn sie über die richtigen Beziehungen verfügt. Also denk lieber zehnmal darüber nach, wie du das angehst. Und übertreib es nicht!«
    »Die hier«, Aurelio wedelte mit den Fotos in seiner linken Hand, »hat Geld genug und keine Zeit, sich um diese Sache zu kümmern. Sie spricht nur Englisch. Es würde eine Ewigkeit dauern, bis sie hier einen Staatsanwalt oder Polizisten findet, mit dem sie kommunizieren kann. Die zahlt, und damit Schluss.«
    »Du bist so naiv! Sprachkundige Anwälte gibt es wie Sand am Meer.«
    »Du hast auch mit Fotos Geld gemacht«, maulte Aurelio unzufrieden.
    »Nur ein Hobby! Meine Investitionen habe ich noch lange nicht raus. Und außerdem ist das etwas völlig anderes als deine Ferkeleien.«
    Lele hob die Augenbrauen und ersparte sich jeden Kommentar, denn das Wesen des enormen Fotoarchivs, das drei Stockwerke in seinem Bürogebäude an der Piazza Oberdan einnahm, hatte Aurelio offenbar noch immer nicht begriffen. Bilder waren nicht gleich Bilder. Leles Sammlung von Kriegsfotografien war in ihrer historischen Dimension einzigartig. Damit ließ sich Geschichte beweisen oder widerlegen, wenn man wusste, welcher der richtige Moment war, sie der Öffentlichkeit zu präsentieren oder vorzuenthalten. Damit konnte man Politik machen, Weichen stellen und im Glücksfall sogar die öffentliche Meinung manipulieren. Zu seinen Kunden gehörten die Medien des Landes und der ganzen Welt – auch wenn er mit der Herausgabe an Medienorgane, denen er politisch nicht gewogen war, geizig umging. Über seine Sammlung wachte eine äußerst zuverlässige Frau, die für diesen Job ihre Anstellung in der Direktion der Städtischen Museen aufgegeben hatte, wo sie für alle giftigen Dokumente zuständig gewesen war, die selbst Historikern noch immer vorenthalten wurden. Ein Schattenarchiv, das niemals einer kompetenten Kommission von Wissenschaftlern

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