Keine Frage des Geschmacks
grüner Baseballmütze und grünem Einstecktuch, der kaum jünger war als der ehemalige Pathologe. »Ihr Kommunisten seid viel schlimmer!«, rief er. »Jetzt kommt endlich wieder Recht und Ordnung ins Land.«
»Du hast doch keine Ahnung, Bimbo!«, schnauzte Galvanvo ihn an. »Der will doch nur von seinen korrupten Verstrickungen ablenken. Von der Verurteilung dieses englischen Rechtsanwalts, der ihm mit seiner Falschaussage für sechshunderttausend Dollar vor Gericht den Hintern gerettet hat, und von den Bindungen an die Mächte des Finsteren, an die Mafia und die Camorra.«
Laurenti versuchte zu entkommen, sein Job zwang ihn in der Öffentlichkeit zu totaler politischer Abstinenz. Doch Galvano hatte nicht die geringste Absicht, von ihm abzulassen, umklammerte noch fester seinen Arm und zog ihn enger an sich heran.
»Er hat geniale PR-Berater und ist ein guter Redner«, warf die andere Pensionistin ein. »Das müssen die anderen erst einmal lernen.«
»Sein Apotheker ist das Genie, du naives Mädchen.« Galvano fasste sich an den Kopf. »Glaub doch nicht, dass der Kerl von alleine noch einen …«
»Auf jeden Fall ist er ein Vorbild, ein großer Unternehmer, der sich für das Land opfert«, schritt die Dame mit dem Pferdeschwanz ein. »Ist doch klar, dass er auch einmal etwas Entspannung braucht. Privatangelegenheit, lassen Sie ihn doch in Ruhe. Sie sind bloß neidisch.«
»Hoffen wir, dass die jungen Dinger wenigstens gut verhüten«, kicherte die andere. »Stell dir vor, die Neugeborenen sehen alle aus wie er.«
»Auch Babys haben wenig Haare auf dem Kopf!« Auf einmalraste Raissa aus dem Lokal und schob sich eifersüchtig vor Galvano, das zweite Glas Wein hatte sie offensichtlich noch schneller geleert. »Von wegen neidisch. Mein Mann ist ein berühmter Mediziner. Er weiß, wovon er redet.«
»Eben! Und deswegen nehme ich ihm das mit den amourösen Abenteuern auch nicht ab.« Galvano riss mit einem heftigen Ruck den Kopf seines Hundes aus der Einkaufstüte. Ein Fischschwanz ragte aus seinem Maul, und er leckte sich zufrieden die Lefzen. »Bald wird es in den Altersheimen zu Sexpartys kommen, weil ihm alle nacheifern. Was für eine Vorstellung! Triest hat jetzt schon den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Viagra in Italien.«
»Und laut Statistik auch die jüngsten Mädchen mit ersten Sexualerfahrungen«, sagte Laurenti und versuchte sich zu befreien. »Hoffentlich gibt es da keinen Zusammenhang!«
»Ach was«, warf Raissa nun mit ihrem herben Akzent ein. »Die tatschen höchstens die ukrainischen Pflegerinnen ab. Gegen ein bisschen Trinkgeld natürlich. Fünf Euro für den Hintern, solange sie das Bett machen, zehn für die Brüste, während sie den Bettlägerigen die Pfanne unterm Arsch wegziehen.«
Galvano verstummte schlagartig. Er ließ Laurenti los und zupfte seine Lebensgefährtin heftig an der Jacke, in der Hoffnung, sie zum Schweigen zu bringen. Der Commissario nutzte die Chance und stahl sich davon. Er war viel zu spät dran.
»Ach, Laurenti, ich dachte schon, Sie hätten mich vergessen.« Als er mit einer Viertelstunde Verspätung ihr Büro betrat, warf Dottoressa Iva Volpini einen Blick auf die zierliche Armbanduhr.
»Ich wurde aufgehalten. Verzeihung.« Laurenti setzte sich.
»Dieses Schreiben hat uns heute über die Botschaft Ihrer Majestät erreicht.«
Der Briefkopf war der einer bedeutenden Anwaltskanzlei in London, fünf Namen waren in einer dunkelgrauen Antiqua in Majuskeln gedruckt, das Papier trug ein Wasserzeichen. Laurenti überflog das Schreiben, und obwohl seine Englischkenntnisse stark zu wünschen übrigließen, verstand er, dass es sich um eine saftige Klage handelte. Zweieinhalb Millionen Sterling Schadenersatz nebst Unterlassungserklärung im Namen einer britischen Unterhausabgeordneten namens Jeanette McGyver. Ferner wurde Strafanzeige wegen Verleumdung, Ehrverletzung, Stalking und sexueller Belästigung gestellt. Die letzten Punkte hatten Strafrechtsbestand, damit mussten die Behörden tätig werden.
»Dieser Teil fehlte in der Presse«, sagte Laurenti und gab der Staatsanwältin das Schreiben zurück. Die Lokalzeitungen würden es am nächsten Tag bringen. »Das ist eindeutig eine Angelegenheit für das Kommissariat für Sexualstraftaten.«
»Ich möchte aber, dass Sie sich den Kerl vorknöpfen, Commissario«, sagte die Staatsanwältin. »Das ist nichts für Leute, die Angst vor Autoritäten haben. Weiß der Teufel, was dahintersteckt. Ist es eine Verschwörung,
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