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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Fest steht lediglich, dass ganz am Anfang die Äthiopier aus dem Fruchtfleisch der roten Kirsche Saft hergestellt haben, den sie bisweilen auch zu Alkohol vergärten. Und die Blätter der Pflanze wurden gekaut, wie anderswo Khat oder Koka. Erst die Araber begannen mit dem systematischen Anbau. Das anregende Getränk ist ideal für eine Religionsgemeinschaft, die keinen Alkohol erlaubt. Im Yemen gab es im fünfzehnten Jahrhundert die erste Plantage, die Stadt Mocha am Roten Meer war ursprünglich der größte Handelsplatz. Die Bohnen wurden vor dem Verkauf gekocht, damit sie nicht keimen konnten. Auf der gegenüberliegenden Seite der Meerenge liegt Dschibuti, von wo heute der Kaffee aus Äthiopien verschifft wird. Wegen des Krieges Ihres Landes mit Eritrea und dem Bürgerkrieg in Somalia ist dies sein einziger Hafen. Mit einem Großhändler in Addis Abeba arbeiten wir direkt zusammen und auch mit einigen wenigen Bauern.Mein Ziel ist es, diese von einer sortenreinen Ernte zu überzeugen. Es gibt so viele verschiedene Sorten Wildkaffee! Doch die Leute dahin zu bringen ist nicht einfach. Die Mengen sind relativ gering und bieten noch wenig Umsatz. Ganz abgesehen davon, dass man sie auseinanderhalten können muss. Ein langer Weg liegt noch vor uns, aber meiner Erfahrung nach setzt sich Qualität mit der Zeit gegen die Masse durch. Man muss auch die Nischen im High-Quality-Bereich zu nutzen verstehen. In Äthiopien macht uns leider die Gesetzgebung zu schaffen. Ich verstehe das Bemühen ja, die Preise für alle auszuhandeln, auch für die Kleinbauern, die vom Markt keine Ahnung haben. Doch seit alles durch die ›Ethiopian Comodity Exchange‹ läuft, sind wir nicht mehr sicher, genau die Ware zu erhalten, die wir geordert haben.«
    Miriam ging neben ihm durch die langen Korridore, in denen sich zu beiden Seiten die sechzig Kilo schweren Säcke stapelten. Sorte und Herkunft der rohen Kaffeebohnen waren in farbigen Schriftzügen auf die grobe Jute gedruckt, Schilder mit den Namen der Exportländer kennzeichneten die einzelnen Sektionen. Hier traf sich die Welt.
    »Wir importieren aus über fünfzig Ländern. Die Bedeutung dieser Sorten auf dem Weltmarkt können Sie in etwa an der Menge der Säcke ablesen. Dort zum Beispiel, Arabica aus Uganda und weiter hinten der Sudan.« Er wies auf ein Depot, das nicht einmal zu einem Viertel gefüllt war. »Äthiopien lagert im nächsten Korridor. Die Kriege reduzieren die ohnehin schon kleine Ernte. Aber unsere Hauptkunden in Nordeuropa ziehen sowieso die Robusta-Mischungen vor, für Filterkaffee mit hohem Säuregehalt. Jedes Land hat andere Vorlieben. Die hier ansässigen Betriebe können sie alle erfüllen. Sie finden Unternehmen, die Weltmarktführer sind, und andere, die sich auf kleine Segmente spezialisieren. Ein hart umkämpfter Wachstumsmarkt, bedenken Sie nur einmal den gesellschaftlichen Wandel in China. Und Triest warschon Mitte des neunzehnten Jahrhunderts im Mittelmeerraum die bedeutendste Hafenstadt für diese Ware.«
    »Wird in diesen Containern eigentlich nie andere Ware geschmuggelt? Waffen, Drogen, Menschen?«
    »Die Container aus Kolumbien werden von den Behörden prinzipiell geöffnet, andere lediglich Stichproben unterzogen. Das Frachtaufkommen ist zu hoch, als dass jeder Transportbehälter überprüft werden könnte.«
    »Der Welthandelsverkehr schließt das Verbrechen also mit ein?«, fragte Miriam.
    »Und die Europäische Union öffnet ihm die Tür. Deutschland, Frankreich, Italien wollen schließlich ungehindert exportieren. Beim Kaffee sind wir zumindest noch vor Fälschungen sicher, wie sie im Textilgewerbe üblich sind. Aber abgesehen von einem schlecht zubereiteten Kaffee, gibt es durchaus ernstere Delikte in unserer Branche. Vor einiger Zeit wurde hier ein Sattelschlepper mit achtzehn Tonnen Rohkaffee gestohlen und in der Gegend um Caserta, bei Neapel, sichergestellt. Das löste ein großes Ermittlungsverfahren aus, bei dem sich ergab, dass noch weitere gestohlene Ladungen dorthin gingen und in einer Rösterei der Camorra verarbeitet wurde. Wenn die Einstandskosten nahezu bei null liegen, lässt sich gewaltig verdienen. Bei mir wurde vor ein paar Tagen eingebrochen und rare Topware gestohlen, von der es weltweit nur wenige Kilo gibt. Das war vermutlich auch kein Feinschmecker.«
    Eigentlich müsste Miriam ihrer Freundin Jeanette für ihren Leichtsinn dankbar sein, ohne den wäre sie wohl kaum hierher gereist. Und ihr Job war einfach, sie musste nur

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