Keine große Affäre
hatte keine Lust,
ihn zu verbessern«, verteidigte sie sich stockend, weil sie wußte, was er als
nächstes sagen würde.
»Aber als wir uns über ihren Namen gestritten haben«, sagte Neil und zeigte auf das Baby, als würde er es
hassen, »hast du mir versichert, daß du in der Schule nie gehänselt worden
bist. Aber du hast mir nicht erzählt, daß du damals gar nicht Lia geheißen
hast.«
Sie wurde rot, weil sie sich schuldig
fühlte. »Du hast recht, es tut mir leid«, sagte sie, als sie in der
U-Bahnstation Bond Street auf die Rolltreppe traten.
Er schwieg während der gesamten
Heimfahrt und für den Rest des Tages. Wenn sie versuchte, mit ihm zu reden,
ging er einfach weg. Das machte sie fuchsteufelswild. Sie befahl ihm, damit
aufzuhören, aber er bestritt, irgend etwas zu tun. Sie nahm Anouska zum Stillen
mit ins Schlafzimmer und knallte wütend die Tür zu.
In Wirklichkeit hatte es überhaupt
nichts damit zu tun, daß sie ihren Namen geändert hatte, dachte sie, als sie
die Wange des Babys streichelte und sich langsam beruhigte. Da kamen mehrere
Dinge zusammen. Er hatte wochenlang nicht richtig geschlafen, sie hatten keinen
Sex mehr, er fühlte sich ausgeschlossen, und ihn plagten Geldsorgen. All das
hatte sich in ihm aufgestaut, wie Dampf in einem Schnellkochtopf, der nur
darauf wartet, zu explodieren. Und ihre eigene Liste unausgesprochener
Ärgernisse war genauso lang: Warum nahm er so wenig Notiz von dem Baby? Wieso
war er so besessen davon, wieviel alles kostete? Und wieso mußte er sie ständig
betatschen? Es hieß immer, daß ein Baby ein Paar einander näherbrachte. Aber
Neil und sie hätten sich früher gar nicht nähersein können, und jetzt schien es
sie sogar auseinander zu bringen.
Als das Baby fertig getrunken hatte,
legte Lia es hin und ging nach unten.
»Es tut mir leid«, sagte sie schlicht.
»Mir auch.«
Er kam zu ihr und küßte ihr Gesicht
und ihr Haar, und sie machten einen traurigen Versuch, sich zu versöhnen, indem
sie sich auf dem Wohnzimmerboden liebten. Doch als sie dort lag und sich durch
seine Nähe erdrückt und trotzdem distanziert fühlte, hatte sie das Gefühl, daß
das, was sie miteinander geteilt hatten, was immer es auch gewesen war, sich
unwiderruflich verschlechtert hatte.
Kapitel 5
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November
Die Weinblätter hatten sich zu einem
tiefen Kupferrot verfärbt, und in der Luft lag ein feuchter Dunst, der den hefigen
Geruch verfaulender Äpfel mit sich trug. Unter den Sohlen von Gingers Doc
Martens raschelten trockene Blätter wie zusammengeknülltes Backpapier.
»Wir trinken immer dasselbe«, bemerkte
sie, als sie das Tablett auf den Tisch stellte. »Es ist fast wie bei diesem
Partyspiel — Wenn du ein Getränk wärst, was würdest du gern sein? Kennt ihr
das?«
Alison blickte auf das Tablett. »Also,
Ginger, du wärst eine Coca Cola — spritzig und belebend. Lia ist Orangensaft —
frisch und natürlich. Und ich bin schwarzer Kaffee — stark und bitter«, sagte
sie mit einem trockenen, ironischen Lachen.
»Nein«, sagte Lia vollkommen ernst.
»Für mich ist schwarzer Kaffee stilvoll und kultiviert.«
Alison lächelte sie an. »Danke«, sagte
sie, pustete in die Plastiktasse und nippte daran.
Ginger sah sich in dem verlassenen
Restaurantgarten um. Ein kühler Wind wehte eine Handvoll Blätter durch die Luft
und wirbelte sie um die Beine der verlassenen Tische herum. Sie waren die
einzigen, die draußen saßen.
»Dieses Restaurant schließt nächste
Woche, weil es Winter wird«, bemerkte sie. »Wo wollen wir uns dann treffen?«
»Ich glaube, die Orangerie bleibt
geöffnet. Oder wir könnten uns vielleicht mal irgendwo in Richmond treffen«,
schlug Lia vor, die sich der Tatsache bewußt war, daß Kew Gardens einen langen
Fußmarsch von Gingers Wohnung entfernt war.
»Wo zum Beispiel?« fragte Ginger.
»Da mußt du dich an jemand anders
wenden«, sagte Lia. »Ich kenne Richmond noch nicht so gut.« Sie wandte sich an
Alison und fragte sie: »Wo wolltest du dich denn damals mit deiner Freundin
treffen, als wir uns zufällig begegnet sind?«
Alison wollte gerade antworten, daß
sie sich mit Ramona bei Harvey Nichols in der fünften Etage getroffen hatte,
als sie sich an ihre Bahnfahrt mit Hindernissen erinnerte. Dadurch hatte sie
sich sehr verspätet.
»Ach, das war nicht so toll«, sagte
sie schnell. »Da würde ich nicht nochmal hingehen.«
»Wir müßten irgendwo hin, wo sie uns
mit drei Kinderwagen reinlassen«, sagte Ginger.
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