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Keine Lady ohne Tadel

Keine Lady ohne Tadel

Titel: Keine Lady ohne Tadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloisa James
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verstohlen zu Mrs Cable hinüber. Die hockte wie eine verdrießliche Krähe auf ihrem Stuhl und schwang die Nadel mit solcher Geschwindigkeit, dass sie nur noch verschwommen zu erkennen war. Selbst um Miles’, ihres verstorbenen – wenn auch nicht innig geliebten – Ehemannes willen: Konnte sie ein Leben in der Gesellschaft von Mrs Cable überhaupt in Betracht ziehen?

9
    Sittsamkeit ist eine erstrebenswerte Eigenschaft
    Als Bea am Morgen erwachte, war sie von einem Gefühl der Scham erfüllt. Das war durchaus nichts Neues. Oft hatte ihr Vater sich darüber empört, dass er ihr wohl offenbar gar nichts beigebracht hatte, doch Schamgefühl hatte er sie sehr wohl gelehrt, fand Bea. Sie hatte sich jedoch stets geweigert, auch danach zu handeln, und ihn damit vollends in Rage gebracht.
    Doch niemals, niemals hätte sie Stephen Fairfax-Lacy auf der Ziegenweide küssen dürfen. Er war für Helene bestimmt, und eines tat Bea nie, und das war, anderen Frauen die Männer zu stehlen.
    Wenn ich mich anders kleide, wird der Puritaner gar nicht mehr den Wunsch verspüren, mich zu küssen,
dachte sie. Dann fiel ihr wieder ein, dass er sie ja gar nicht mehr küssen wollte, weil er über ihre Erfahrungen Bescheid wusste. Bea versetzte es einen Stich, den sie aber nicht weiter beachtete.
    »Ich ziehe das neue Morgenkleid an«, sagte sie zu ihrer Zofe Sylvie. »Das mit der hellen Spitze.«
    »Aber Mylady, fanden Sie dieses Kleid nicht stets zu sittsam?«, lispelte Sylvie mit ihrem französischen Akzent.
    »Es ist wirklich zu sittsam, nicht wahr? Nun gut. Ich bin auch in einer sittsamen Stimmung.«
    »Wie es Euer Ladyschaft beliebt«, sagte Sylvie resigniert. Sie hatte gehofft, das Kleid werde bei ihrer Herrin in Ungnade fallen und folglich in ihren Besitz übergehen.
    Nach dem Ankleiden betrachtete sich Bea mit einer gewissen Befriedigung im Spiegel. Sie machte nun den Eindruck – um es mit den Worten ihrer Großmutter zu sagen –, als könne sie kein Wässerchen trüben. Das Kleid aus feinstem Jaconet-Musselin war bernsteinfarben, reichlich mit heller Spitze besetzt und hatte lange Ärmel. Und wenn auch das Oberteil eng an ihrer Büste anlag (die sie wieder ausgestopft hatte), war der Kragen doch so hoch, dass er beinahe ihre Ohren berührte.
    »Kein ›Spanisches Papier‹«, lautete Sylvies Vorschlag, als Bea vor dem Frisierspiegel Platz nahm. Nachdem sie die Enttäuschung überwunden hatte, dass ihre Herrin das heiß begehrte Kleid selbst anziehen wollte, machte ihr das Ankleiden wie immer große Freude. Sylvie hatte wirklich Glück mit ihrer Stellung: Lady Beatrix war schön, immer gut gelaunt und nahm die Toilettenfrage sehr, sehr ernst.
    »Du hast vollkommen recht«, sagte Bea und nickte ihrer Zofe im Spiegel zu. »Es ist viel zu grell. Meine Wangen sollten im blassesten Rosé geschminkt sein. Habe ich nicht kürzlich in diesem Geschäft am Bedford Square ein Rouge namens ›Jungfrauenerröten‹ erstanden?«
    Sylvie wühlte bereits in dem Köfferchen herum, das geöffnet auf der Frisierkommode stand. »Hier!«, rief sie triumphierend aus und hielt ein Fläschchen in die Höhe. »Obwohl Sie auch die ›Königliche Pfirsichtinktur‹ in Betracht ziehen könnten«, fügte sie hinzu und reichte ihrer Herrin ein zweites Fläschchen.
    Bea gab jeweils einen Tropfen auf ein Baumwollläppchen und verglich beide Farbtöne gewissenhaft. »Das ›Jungfrauenerröten‹ muss es sein«, entschied sie. »Obwohl auch der ›Pfirsich‹ sehr hübsch ist. Vielleicht trage ich ihn auf die Lippen auf.«
    »Meinen Sie nicht, dass das zu blass wirkt?«, fragte Sylvie zweifelnd.
    »Nein, nein«, wehrte Bea ab, die geschickt eine durchscheinende Schicht Rouge auftrug. »Heute Abend bin ich so zart wie ein Pflänzchen. Ein anmutiges junges Ding.« Sie verdrängte die mahnende Stimme in ihrem Hinterkopf, die auf die Widersprüchlichkeit ihres Handelns hinwies. Warum sollte ein solch erfahrenes Wesen wie sie sich nicht kleiden, wie sie wollte! Ob das nun logisch war oder nicht.
    »Aha«, machte Sylvie. Herausforderungen liebte sie. »In diesem Fall werde ich Sie anders frisieren, Mylady. Würde es Ihnen gefallen, wenn ich ein schlichtes Haarband einflechte? Dieses Perlennetz passt nicht ganz dazu.«
    »Du bist ein wahrer Segen«, lobte Bea. »Was täte ich nur ohne dich?« Kurze Zeit später warf sie ihrem Spiegelbild ein zufriedenes Lächeln zu. Ihre Haartracht war schlicht wie die einer Vierzehnjährigen. Sie sah geradezu kindlich aus!
    Bea musste

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