Keine Lady ohne Tadel
zurückkehre – genauer gesagt, nach Frankreich?«
Wieder nickte sie. Aber Sebastian sah auch, dass sie schluckte, und wurde von einem triumphierenden Hochgefühl erfasst.
»Wenn du wirklich wünschst, dass ich gehe«, murmelte er in ihr Haar, »musst du mir einen letzten Wunsch erfüllen.«
»Einen Wunsch?«
Wieder wehte ihn ein Hauch ihres Parfüms an, und er musste an sich halten, ihr nicht das Gesicht abzulecken, sie zu trinken. Sie war so schön in ihrem zärtlichen Zorn, in ihrer Angst um ihn. »Einen Wunsch.« Seine Stimme klang trunken.
»Ich wünsche, dass du fortgehst«, sagte Esme förmlich. »Das ist wirklich –«
Er unterbrach sie. »Eine Nacht. Ich will eine Nacht.«
Sie richtete sich kerzengerade auf. »Was?«
»Ich komme heute Nacht zu dir. Ich komme in dein Schlafzimmer«, flüsterte er in ihr Ohr und seine Zunge verweilte dort einen Moment. »Ich nehme dich auf meine Arme und lege dich aufs Bett …«
»Das wirst du ganz gewiss nicht tun!«
Er lächelte in ihre Locken. »Wünschst du ganz ehrlich, dass ich dein Anwesen verlasse?«
»Unverzüglich!«, fauchte sie.
»Dann verlange ich eine Entschädigung.« Er breitete seine Hand, seine warme, gierige Hand, wieder über ihre Brust. Er spürte das Beben, das sie durchlief. »Eine Nacht«, sagte er heiser. »Eine Nacht, dann scheide ich aus deinen Diensten und werde nicht länger dein Gärtner sein.«
Esme schwieg, wahrscheinlich überlegte sie, wie groß die Gefahr der Entdeckung war, sorgte sich um ihren guten Ruf. Er jedoch wusste, wie bedeutungslos das war.
Seine Hand glitt tiefer, berührte ihren wohlgerundeten Schenkel. »Oh Gott, Esme, schenk mir eine Nacht!« Doch sie zögerte immer noch.
»Bist du sicher, dass du mich lieben möchtest?« Sie sah ihm gerade in die Augen. »Ich bin noch dicker geworden und …«
»Ich will dich verschlingen.« Das brachte sie zum Schweigen. Röte stieg in ihre Wangen. »Du solltest lieber heute Nachmittag ruhen, denn heute Nacht wirst du nicht viel Schlaf bekommen. Ich werde dich auf jede erdenkliche Art lieben. Ich will dich trunken machen und dich quälen, damit du die Tiefe meiner Liebe ermessen kannst.« Sein Finger glitt über ihre Wange und drückte ihr Kinn hoch.
»Gib dich über das, was heute Nacht geschehen wird, keiner Täuschung hin.« Seine Stimme raunte sündig, dunkel, heiser. »Nach dieser Nacht wirst du niemals mehr vergessen, wie sich meine Haut anfühlt. Vergeude ruhig dein Leben und plaudere mit Damen in Spitzenhäubchen. Zieh dein Kind mit der Hilfe deines kostbaren Nähkränzchens groß. Doch in den Nächten, in den einsamen Nächten wirst du stets an diese eine Nacht denken, die du mit mir verbracht hast.«
Esmes Herz klopfte so heftig, dass sie kaum sprechen konnte.
»Heute Nacht.« Er hielt ihren Blick fest. »Und dann werde ich nach Frankreich gehen, weil … weil es das ist, was du willst, nicht wahr?«
Im Augenblick konnte sie sich nicht recht daran erinnern, was sie wollte. Außer diesem einen, natürlich. Und dieses eine spürte sie an ihrem Rücken.
Und das Nähkränzchen. Sie durfte das Nähkränzchen nicht vergessen.
11
Die Freuden der Poesie
Heute Abend würde Helene Stephen Fairfax-Lacy verführen, und Bea hatte sich damit abgefunden. Immerhin war sie ja die Anstifterin. Sie hatte das beziehungsreiche Gedicht ausgesucht, das Helene vorlesen sollte. Und nicht nur das: Zusammen mit Esme hatte sie einen urkomischen Nachmittag lang versucht, Helene die Sprache des Fächers und andere Verführungskünste beizubringen.
Ich bin nur deswegen so niedergeschlagen,
dachte Bea,
weil ich niemanden zum Flirten habe.
Warum nur hatte Arabella nicht mehr Männer zu dieser Gesellschaft eingeladen? Wenn Bea in dieser Hinsicht ausgelastet gewesen wäre, dann hätte sie ganz gewiss nicht die geringsten Skrupel gehabt, Helene zu helfen.
Ich bin lediglich ein wenig besorgt,
versuchte sie sich einzureden,
ob mein Schützling die Aufgabe geschickt lösen wird.
Denn es war ihr Gedicht, das Helene vorlesen würde, und ihre Idee, Mr Stephen Fairfax-Lacy zu benutzen, um Helenes Gatten eifersüchtig zu machen. Folglich würden sowohl Helenes Erfolg als auch ihr Versagen auf Bea zurückfallen. Doch warum sie sich überhaupt in das Leben vollkommen Fremder einmischen musste, war ihr ein Rätsel.
Lord Winnamore war zum ersten Vortragenden bestimmt worden. Er stand vor dem Kamin und trug langatmig Vergils zweites Hirtengedicht vor. Bea langweilte sich zu Tode. Selbst wenn Shakespeare
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