Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Keine Lady ohne Tadel

Keine Lady ohne Tadel

Titel: Keine Lady ohne Tadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloisa James
Vom Netzwerk:
aus den Händen. »Diese neuen Seiten sind aber zu viel für mich«, betonte sie und schob Helene sanft zu ihrem Stuhl. »Für mich als ehrbare Witwe.« Sie warf Bea einen verstohlenen Blick zu und beschloss, diesem kleinen Biest nicht den Gefallen zu tun, sie zum Vorlesen aufzufordern. »Ich würde sagen, für ein Gedicht haben wir noch Zeit.« Nicht, dass es sie drängte, so bald wie möglich auf ihr Zimmer zu gehen … aber vielleicht wartete Sebastian bereits auf sie. Eine Dame ließ einen Gentleman niemals warten.
    »Mr Fairfax-Lacy«, wandte sie sich an Stephen, »haben Sie in meiner Bibliothek ein Gedicht gefunden, das Ihnen zusagt?«
    »Das habe ich. Und es wird mir ein großes Vergnügen sein, es vorzutragen.« Er stand auf. »Wie es der Zufall will, könnte auch dieses Gedicht von einem Schäfer stammen.«
    »Wer hätte gedacht«, brummte Arabella mürrisch, »dass Schäfer so poetisch sind?«
    Helenes Herz klopfte vor Scham. Wieso hatte sie sich dazu verleiten lassen, so … unanständige Worte vorzulesen? Warum – warum nur? – hatte sie das Gedicht nicht vorher gelesen? Sie hätte doch wissen müssen, dass ein Gedicht, das die kecke Bea aussuchte, auf jeden Fall unschicklich war. Sie atmete tief durch und wagte es endlich, Stephen anzuschauen.
    Doch seine Augen blickten gütig, und sogleich fühlte sie sich besser. Tatsächlich lächelte er sogar.
    »Ich fürchte, mein Gedicht ist wohl kaum so interessant wie das Lady Godwins«, sagte er mit einer Verneigung in ihre Richtung, »aber das bin ich ja auch nicht.«
    Das ist ein Kompliment!,
dachte Helene.
    Mr Fairfax-Lacy hatte eine überaus angenehme Stimme. Sie war tief und weithin tragend. Man konnte sich gut vorstellen, wie er vor dem Unterhaus sprach.
    Schöne Sirene, holder Zauberschatz,
    Süß schweigende Beredsamkeit gewinnender Augen …
    Er hielt inne und sah Helene an. Sie verspürte einen untrüglichen Triumph. Er hatte sie verstanden! Sogleich begann sie angestrengt zu überlegen, welches Nachthemd sie tragen sollte. Denn Helene besaß keine dieser sinnlichen französischen Kreationen, wie Esme sie vermutlich trug, wenn sie einen Mann becircen wollte.
    Das Gedicht nahm wieder ihre Aufmerksamkeit gefangen, und sei es auch nur wegen Stephens schöner Stimme. Er betonte jedes einzelne Wort, als berge es eine ganz eigene wunderbare Bedeutung.
    So war einst ich, war Herrin meiner Schönheit,
    Kein künstlich’ Rot, wie es bankrotte Schönheit ziert,
    Wenn neu entdeckte Scham, als Sünde uns noch unbekannt,
    Die verdorbene Schönheit einer gefälschten Wange …
    »Ich glaube, das gefällt mir auch nicht besser als das erste Gedicht«, bemerkte Arabella verstimmt Lord Winnamore gegenüber. »Ich komme mir vor wie ausgescholten. Verfälschte Wange, soso! Und was bitte soll eine bankrotte Schönheit sein? So etwas haben wir hier nicht!«
    »So war es doch gar nicht gemeint, Lady Arabella«, beschwichtigte sie Stephen und vergewisserte sich mit einem Blick auf Bea, dass sie zuhörte. Sie hatte sich auf dem Stuhl zusammengerollt wie eine kleine Katze, was ihm einen Ausblick in ihr betörendes Dekolleté gewährte. Und natürlich hatte ihr Mieder wieder einmal die Größe seines Taschentuches!
    Die verdorbene Schönheit einer gefälschten Wange,
    Ein schnöder Makel auf der Ehre und auf jeder Frau,
    Die Zeit wird unser Welken zum Vorschein bringen
    Und mit Kunst unsre Makel gnädig bedecken.
    »Nun ist es aber genug!«, erklärte Arabella. »Einen Vortrag über die verheerende Wirkung der Zeit auf meine Haut kann ich wirklich nicht gebrauchen. Sie haben Glück, Mr Fairfax-Lacy, dass ich es Ihnen nicht nachtrage, dass Sie in meiner Gegenwart von ›welken‹ gesprochen haben!«
    »Es tut mir unendlich leid«, beteuerte Stephen. »Meiner Meinung nach trifft dieses Gedicht auf keine der anwesenden Damen zu.« Er verneigte sich und küsste ihr die Hand. »An Ihrer Schönheit vermag ich keinerlei Welken zu erkennen, Mylady.« Und er sah sie vollkommen zerknirscht an – es war jener Blick, den er einzusetzen pflegte, wenn seine Partei ihm zürnte, weil er für die Opposition gestimmt hatte.
    »Hmmm«, machte Arabella, schon wieder einigermaßen besänftigt.
    Stephen hatte sein Ziel erreicht: Er war einigermaßen sicher, in Lady Beatrix’ Augen einen Zornesfunken gesehen zu haben. Nun aber beabsichtigte er, das zweite und wichtigere Ziel des Abends zu verfolgen.
    Helene sah sich zu ihrer Verblüffung Stephen Fairfax-Lacy gegenüber, der ihr die Hand reichte.

Weitere Kostenlose Bücher