Keine Lady ohne Tadel
freundlich denn als königlich bezeichnen.
Schmallippig lenkte Mrs Cable ein. »Nun, Sie werden Bonningtons Antrag selbstredend nicht annehmen«, sagte sie an Esme gewandt. »Aber Lady Withers hat durchaus recht, dass man versuchen sollte, seine Seele zu erhöhen. Es ist nicht an uns zu fragen, warum der Herr einen Sünder an unsere Tür schickt, sondern wir müssen es schlicht hinnehmen, wenn wir versuchen wollen, ein besseres Leben aufzubauen.«
»Das muss ich bei Gelegenheit meinem Mann sagen«, murmelte Lady Winifred Arabella zu. »Ich nehme alles hin, er jedoch scheint nie etwas aufzubauen. Vielleicht könnte ich ihn mit Bibelzitaten auf den Weg der Tugend bringen.«
Aber Mrs Cable hatte ihre Worte gehört, und so klang das Nähkränzchen in einer Missstimmung aus.
23
Verschiedene Formen des Minnedienstes
Lady Rawlings’ Rosensalon
»Ihre Mutter ist wohl der Ansicht, sie könne Ihnen nicht beistehen«, sagte Lady Bonnington mit ihrem üblichen Mangel an Taktgefühl. »Fanny hat nun einmal strikte Vorstellungen von Anstand.«
»Meine teure Schwester kümmert sich rührend um die Armen«, verkündete Arabella mit leichtem Zähneknirschen. »Sie kann nicht an so vielen Orten sein, wie sie gern möchte.«
»Zumindest hat sie mir in diesem Sinne geschrieben«, warf Esme ein. Warum sie ihre Mutter stets verteidigen musste, wusste sie im Grunde selbst nicht.
Die Miene der Marquise spiegelte genau wider, was sie von Arabellas Ausrede hielt. »Aber nicht zur Niederkunft der eigenen Tochter zu erscheinen!«, sagte sie mit Nachdruck. »Das finde ich erschreckend. Ihre Abwesenheit muss Sie gewiss sehr schmerzen«, sagte sie zu Esme.
Esme lächelte gequält. »Natürlich bin ich stolz darauf, dass Mama es nie versäumt, die weniger Wohlhabenden zu unterstützen.«
Überrascht stellte sie fest, dass in Lady Bonningtons Augen keinerlei Spott zu sehen war. Im Gegenteil, sie meinte eine Spur von Mitleid zu entdecken. »Wie Sie zweifellos wissen«, hob Lady Bonnington an, »bin ich eng mit Ihrer Mutter befreundet. Vielleicht reichen meine Anwesenheit in Ihrem Hause und dieses sehr annehmbare Verlöbnis, um Fanny anderen Sinnes werden zu lassen. Ich schmeichele mir, nicht ganz ohne Einfluss auf die Gesellschaft zu sein, wissen Sie?« Sie beugte sich vor und fletschte lächelnd die Zähne wie ein Leopard kurz vor dem Sprung auf sein Opfer. »Wenn ich Ihren Wiedereintritt in die Gesellschaft anlässlich Ihrer Heirat mit Mr Fairfax-Lacy begleite, werden die Eskapaden Ihrer Jugend rasch vergessen sein, das versichere ich Ihnen.«
Esme lächelte schwach. Offensichtlich bot Lady Bonnington ihr einen Pakt an. Wenn sie Fairfax-Lacy heiratete statt Sebastian, dann würde die Marquise ihr das Wohlwollen ihrer Mutter und der Gesellschaft sichern. Also nickte sie und sah der Älteren fest in die Augen. »Das wäre zu liebenswürdig.«
In diesem Augenblick betraten die übrigen Gäste den Salon. Sebastian ging sogleich zu Esme. Er beugte sich über ihr Sofa und flüsterte ihr mit unüberhörbarer Vertraulichkeit »Wie geht es dir?« ins Ohr.
»Lassen Sie das!«, schalt sie ihn und wich Lady Bonningtons böse funkelndem Blick aus.
Sebastian sah auf. »Aha, meine teure Mutter ist auch da. Nun, und wo steckt der
inamorato?
Mr Fairfellow. Wie heißt er noch gleich? Ich verabscheue diese Doppelnamen, Sie nicht auch?«
»Pst, Sie Ungeheuer!«, schalt Esme und zwickte ihn in den Arm. Doch unter seinem Gelächter hörte sie einen Anflug von – Eifersucht? – heraus. Also war ihr Plan wohl doch kein absoluter Fehlschlag. Esme streckte Fairfax-Lacy eine matte Hand entgegen. »Ah, da sind Sie!«, rief sie. »Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, seit die Herren sich zum Portwein zurückgezogen haben!«
Einige Augenblicke später betrat auch Bea den Salon und sah, wie Stephen Fairfax-Lacy Esme mit Aufmerksamkeiten überhäufte. Die beiden saßen eng nebeneinander auf einer kleinen Couch, und während Bea zuschaute, rückte Stephen zärtlich ein Kissen in Esmes Rücken zurecht. Sie fühlte einen scharfen Stich der Eifersucht. Offenkundig hatten Esme und Stephen ihre gemeinsame Vorliebe für derbe Witze entdeckt: Stephen flüsterte ihr nämlich immer wieder etwas ins Ohr, das beide in schallendes Gelächter ausbrechen ließ.
Sie wirkten tatsächlich verlobt. Doch Bea konnte immer noch nicht ganz begreifen, was am Vorabend passiert war. Was hatte Esme dazu bewogen, lauthals zu verkünden, dass sie Stephen heiraten würde? Wahrscheinlich,
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