Keine Lady ohne Tadel
zurückwarf.
»Genau, ich habe keinerlei Interesse daran!«
Er verzog skeptisch den Mund.
»Ich habe überhaupt nicht vor, zu heiraten.« Sie trippelte zur Couch, ohne sich dabei in den Hüften zu wiegen, wie sie es seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr geübt hatte. Der Mann war ja nicht interessiert. Das verzehrende Feuer, das in seinen Augen glühte, galt einzig und allein Esme.
Doch er folgte ihr und setzte sich neben sie. »Wenn ich glaubte, dass Eifersucht in diesem Fall von Nutzen wäre, dann würde ich vorgeben, in Sie verliebt zu sein. Doch es ist sinnlos«, fügte er tonlos hinzu. »Leider sieht es so aus, als wäre der Mann bis über beide Ohren in Esme Rawlings verliebt. Und sobald sie einen Mann in ihren Bann zieht, wird er sich schwerlich für eine andere Frau interessieren.«
»Ich bin nicht an Mr Fairfax-Lacy interessiert«, beharrte Bea. Denn ihr Stolz war alles, was sie noch besaß.
Bonnington ging nicht darauf ein. »Vermutlich hält er Sie für zu jung.«
»Für zu skandalträchtig«, berichtigte Bea und schickte nun alle Vorsicht zum Teufel.
»Skandalträchtig, ja?«
Bea nickte traurig. Sie kannte Bonningtons Ruf – wer kannte ihn nicht? Einst war er einer der aufrechtesten Gentlemen der Gesellschaft gewesen. Bis zum letzten Sommer hatte es nicht einmal die Andeutung eines Gerüchtes über ihn gegeben. Wenn Bonnington von ihrer Vergangenheit erfuhr, dann würde er auf sie spucken und unverzüglich das Zimmer verlassen. Doch er machte nicht den Eindruck, als wollte er sie verdammen.
»Gab es da nicht diese Geschichte mit Sandhurst? Warum in aller Welt haben Sie sich mit so einem widerlichen Emporkömmling abgegeben?« Keinerlei Tadel war in seiner Stimme zu vernehmen. Nur eine gewisse zartfühlende Neugier.
Bea zuckte die Achseln. »Er konnte sich so entzückend verbeugen. Und er hat mir Komplimente gemacht.«
Der Marquis betrachtete sie schweigend.
»Und Vater hat ihn verabscheut«, setzte sie hinzu.
»Und gibt dennoch Ihnen die Schuld an dem Vorfall, möchte ich annehmen.« Auch seine Augen blickten freundlich und teilnahmsvoll. Sie ähnelten Stephens Augen. Was war nur mit diesen Männern los? Sie sprangen nicht auf Beas Verführungskünste an, sondern brachten sie immer nur zum Weinen.
»Mr Fairfax-Lacy hat gesagt, er möchte eine Geliebte haben, die nicht so erfahren ist«, gestand sie.
Er starrte sie an. »Das hat Fairfax-Lacy gesagt?«
Bea nickte.
»Ohne ihn sind Sie besser dran. Warum sollten Sie die Geliebte eines solchen Flegels werden? Oder überhaupt eine Mätresse?« Er sah sie so eindringlich an, dass Bea sich fragte, ob ihm ihre Weiblichkeit erst jetzt aufgefallen war. Würde er ihr zum Trost anbieten, sie zu küssen? Wenn sie ihn auch in die Bibliothek geschleppt hatte – anfassen lassen wollte sie sich deswegen noch lange nicht.
»Ich glaube, ich will gar keine Geliebte sein.« Entschlossen verdrängte sie die Erinnerung an Stephens Küsse. »Und eine Ehefrau ebenso wenig.«
»Hm«, machte er, ohne allzu überzeugt zu wirken. »Nun denn, wo sind die Gedichte, die ich Ihrer Meinung nach unbedingt lesen muss? Ich möchte nämlich nicht in den Salon zurückkehren, ohne wenigstens eines gelesen zu haben. Gott weiß, was die glauben, was wir hier treiben.«
Bea erwiderte das Lächeln, das sich auf seinem Gesicht zeigte. Fast gegen ihren Willen fühlte sie eine freundschaftliche Verbundenheit mit dem Marquis. Er stand auf und legte Holz im Kamin nach, dann ließ er sich wieder auf der Couch nieder.
»Hier ist der Band«, sagte Bea und nahm ihn von dem Tischchen neben dem Sofa.
Der Marquis begann zu lesen und zog fragend die Augenbrauen hoch. »Das stammt wohl aus Esmes Privatbibliothek?«
»Nein.« Sie wurde rot. »Ich habe den Band mitgebracht. Es stimmt schon, einige Gedichte sind recht … recht ungewöhnlich.«
Bea gefiel sein Kichern, das auf ihre Worte folgte. Sie zog die Beine auf das Sofa und nahm ihre Lieblingshaltung ein.
»Das hier gefällt mir«, bemerkte er.
»Oh holder Knabe, traue nicht den Schwingen deiner Schönheit.
«
Sie nickte eifrig.
Bonnington grinste ironisch. »Ich habe einen großen Teil meines Lebens damit vergeudet, auf die falschen Dinge zu vertrauen. Zum Beispiel auf meinen Titel.«
»Und auf Ihre Schönheit?«, fragte Bea kühn.
»Nicht so sehr … ich war überzeugt, dass ich der Würde meines Titels gerecht werden musste. Ich nehme an, dass ich zu sehr auf meinen Ruf bedacht war.«
Nun lächelte auch sie. »Während ich
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