Keine Schokolade ist auch keine Loesung
vergraben hat. Sie trottet zu mir herüber und lehnt sich gegen meinen Stuhl, um sich loben zu lassen, und ich streichle ihr weiches Fell. »Besonders in Anbetracht der Tatsache, dass der ehemalige Chorleiter der Schule mit ihr durchgebrannt ist.«
»Trotzdem«, sagt Cooper, während er sich durch die Homepage der Schule klickt, »könnte man doch erwarten, dass es irgendwo erwähnt wird. Aber diese Seite enthält nicht viele Details.«
»Tania sagte, es sei nicht gerade der größte Schulbezirk.«
»Oder …«, sagt Cooper, während er den Bildschirm wieder zu mir dreht, »… vielleicht ist auch keinem dort bewusst, wer Tatiana Malcuzynski heute ist.«
Ich starre auf das Foto, das er entdeckt hat. Es ist vom ersten Highschool-Chor im Bezirk, der es jemals in die Endrunde des Landeswettbewerbs von Florida geschafft hat. Aus der zweiten Reihe zwischen den Sopranen lächelt Tania Trace mir engelhaft entgegen … Aber wenn ich nicht nach ihr gesucht hätte, wäre mir das nicht bewusst gewesen. Sie ist auf dem Bild sechs Jahre jünger, dreißig Pfund schwerer und ein paar Zentimeter kleiner als die Tania, mit der ich den größten Teil des Abends verbracht habe – und sie trägt eine Zahnspange.
»Okay«, sage ich. »Sie ist also praktisch nicht wiederzuerkennen.«
»Was ist mit ihm?«
Cooper tippt auf den Bildschirm, und ich bekomme einen ersten Eindruck von Gary Hall. Braune Haare, braune Augen, weder hübsch noch hässlich, keiner, der in einer Menge heraussticht – Gary Hall sieht genauso aus wie …
… ein vierzigjähriger Highschool-Chorleiter.
»Mr. Hall«, flüstere ich.
»Das Spiel«, sagt Cooper, »hat begonnen.«
»Wirst du ihn erschießen?«, frage ich.
»Ich werde das tun, wofür man mich beauftragt hat«, entgegnet Cooper und klappt seinen Laptop zu. »Nämlich meine Klientin beschützen.«
»Also«, sage ich, »wirst du ihn erschießen.«
»Falls er meine Klientin bedroht und zufällig in meine Reichweite kommt, dann wahrscheinlich ja. Hättest du ein Problem damit?«
Ich lasse meine Hand auf Lucys Kopf ruhen. »Nicht, solange du nicht daneben schießt«, sage ich.
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Abgesehen von meinem Bett gibt es nicht viele Orte, an denen ich es an einem Sonntagmorgen aushalte, aber die Fischer Hall ist einer davon. Das liegt daran, dass am Wochenende dort keiner vor Mittag aufsteht – außer es ist erforderlich, wie bei Anmeldungen oder Abmeldungen. Aber für gewöhnlich habe ich das Haus ganz für mich allein.
Und heute Morgen brauche ich diese Art von Frieden und Ruhe, damit ich mich konzentrieren kann. Ich habe nämlich viele Dinge zu erledigen.
Ich ziehe die Eingangstür auf und grüße den Wachdienst, eine Frau namens Wynona, die oft die Nachtschicht übernimmt, in der es manchmal etwas rau werden kann, wenn aus dem Park Betrunkene herüberkommen (oder sich zufällig als unsere eigenen Bewohner entpuppen). Aber Wynona ist sachlich – und kräftig – genug, um mit jedem fertig zu werden, ob betrunken oder nüchtern.
Wynona nickt mir über ihren großen Kaffeebecher hinweg zu, sagt aber nichts. Ich nehme es ihr nicht übel. Es war auch für mich eine lange Nacht. Ich halte einen ähnlichen Becher in der Hand, obwohl mir bewusst ist, dass die Cafeteria wieder Frühstück anbietet, wegen der Mädchen und ihrer Aufsichtsmütter. Aber ich konnte nicht warten. Ich erwidere Wynonas Nicken.
Jamie sitzt zusammengesunken hinter der Rezeption, noch in ihrer Pyjamahose. Sie blättert schläfrig durch liegen gebliebene Zeitschriften, da die Post uns nur erlaubt, verschlossene Briefsendungen zuzustellen.
»Hey«, sagt Jamie überrascht, als sie mich entdeckt. »Was machen Sie denn hier?«
»Frag nicht«, sage ich. »Wie ist es denn gestern Abend gelaufen, nachdem ich weg war?«
Jamie zuckt mit den Achseln. »Nicht schlecht, schätze ich. Wynona kann Ihnen
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