Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
ging ins Bad.
Während sie auf dem Klo saß, lief die Dusche heiß.
Anstrengend. Männer waren total anstrengend. Er hatte kein Wort rausgekriegt auf dem Weg. Sie hatten lange nach einem passenden Hotel gesucht. In der Regel waren die Businesshotels perfekt, da gab es ständig An- und Abreisen, und die Angestellten merkten sich die ewig gleichen Gesichter in Anzug und Kostüm nicht.
Aber sie trugen gerade weder Anzug noch Kostüm.
In einer Seitenstraße hatte sie dann so eine Art Backpacker-Hostel entdeckt. Überraschend für eine Stadt dieser Größe und perfekt für sie beide. In der Lobby war er muffelig neben dem Gepäck stehen geblieben, während sie eincheckte. Er hatte ihre beiden Taschen geschultert (Macho, Macho) und war mit großen Schritten Richtung Treppe gestiefelt. (Ich hab keinen Bock, auf den verdammten Lift zu warten, außerdem ist das was für Weicheier.) Sie war ihm, halb grinsend, halb seufzend hinterhergestiegen, hatte ihn oben im Flur überholt, die Tür aufgeschlossen, ihn hineingezogen, die Taschen von seinen Schultern gestreift, mit dem Fuß die Tür zugekickt und ihm die Zunge in den Mund geschoben. (Oh, oh, ich stehe so auf harte Jungs.) Sein Verhalten war die perfekte Vorlage gewesen, und er war überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass sie ihn ruhigvögeln wollte.
Abgesehen davon fand sie, dass er wütend am besten im Bett war.
Sie schloss die Augen und ließ das Wasser an sich herunterlaufen. Zehn, fünfzehn Minuten. Nur zehn, fünfzehn Minuten Ruhe. Hoffentlich schlief er weiter. Sie wollte nur eine Viertelstunde lang nichts denken, nichts wahrnehmen, außer dem heißen Wasser.
Und irgendwann später würde sie anrufen.
Die Scheiße melden und sich anhören, was auch immer am anderen Ende der Leitung zu hören sein würde. Fuck.
Die Dunkelheit glänzte in den Scheiben der Straßenbahn. Schaufenster, Kneipen, Autos. Die Stadt flog an Merten vorbei. Er hielt eine leere Bierflasche in der Hand, den Kopf ans rüttelnde Fenster gelegt, sein Atem beschlug die immer selbe Stelle.
Jürgen hatte ihn heimfahren wollen, er sei übermüdet, kein Wunder, dass er so fertig sei. Merten hatte sich gewunden, Jürgen darauf bestanden, dass er ihm den Autoschlüssel gab und ihm versprach, sofort mit der Bahn nach Hause zu fahren.
»Das wird nicht schnell gehen mit den Schweinen, das hab ich im Gefühl, Merten. Die sind danach in null Komma nix verschwunden. Die sind geschickt. Wir brauchen jeden Einzelnen in den nächsten Tagen, ausgeruht und frisch in seiner Schicht. Schlaf dich aus.«
Merten hatte sich umgezogen und war in Richtung Haltestelle gewankt. Seine Bahn war gerade weg, er hatte zwanzig Minuten warten müssen. Nach ein paar Minuten war sein Handy in der Tasche losgegangen. Das hatte er gestern vergessen, in die Uniformhose zu stecken. Die Mailbox. Zwölf Anrufe von Svenja. Er hatte sofort bei ihr angerufen und Svenjas Mutter drangehabt.
Die war total ausgeflippt. Was ihm einfiele, sich nicht zu melden, Svenja hätte um ein Haar in die Klinik gemusst, sie hätte das Baby verlieren können, er sei total verantwortungslos.
Merten hatte aufgelegt, er war zu schwach, um sich zu streiten, und verstand nichts. Dann hörte er Svenjas Nachrichten ab. Beziehungsweise die acht Nachrichten von Svenja und die vier von ihrer Mutter. Svenja war kaum zu verstehen, sie hatte geheult und geschrien. Radionachrichten. Polizisten. Tot. Tot. Merten. Merteeeeeeeeeenogooootttt. Ihre Mutter hatte dann Svenja offensichtlich abgeholt und sie erst mal daran erinnert, dass Merten im Innendienst war und garantiert bei keiner Verkehrskontrolle am frühen Morgen.
Es hatte Merten entsetzlich wehgetan, Svenja so außer sich zu hören und so voller Angst. Er hatte sich geirrt, damals, als er wegen Kims Kuss geweint hatte. Er empfand jetzt schmerzhaft tief für Svenja. Aber nur, wenn sie so war. So einsam in ihrer bitterkalten Angst, jemanden zu verlieren, den sie liebte.
Doch die Nachrichten seiner Schwiegermutter waren voller Vorwürfe und Anklagen. Sie hatte es Merten nie verziehen, dass er Polizist war. Er könne seinen Anstand nur beweisen, indem er Svenja verlasse, hatte sie ihm vor zwei Jahren entgegengezischt. Sie würde nicht zulassen, dass ihre Tochter das alles noch mal durchmache.
Die nächste Bahn hatte er vorbeifahren lassen, die übernächste auch. Dann war er durch die Altstadt gelaufen, ziellos, kreuz und quer. Als die Gefahr größer wurde, Bekannte zu treffen, die nach Feierabend noch was
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