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Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)

Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Weber
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er leistete seinen Beitrag, darum ging es. Er versorgte die Kollegen mit Kaffee und Wasser, holte was zu beißen aus der Kantine. Wenn jemand aufs Klo musste, übernahm Merten. Er bediente Telefone und Funk, las Infos von Bildschirmen, holte Lagemeldungen ein, wenn er von irgendwo länger nichts gehört hatte. Aus der Leitstelle liefen Verbindungen zu allem und jedem, der mit der Suche befasst war. Es war wie ein über die Stadt und ihre Umgebung gespanntes Netz, und hier war das Zentrum, das Gehirn. Und dieses Gehirn war aufgeputscht durch Wut und Jagdfieber, durch Kaffee und Energydrinks. Bilder aus Amifilmen schossen durch Mertens Kopf. Aufgeregte Cops mit den Gesichtern von Robert de Niro und Colin Farrell, die entschlossen guckten und Entscheidungen trafen.
    So ein Schwachsinn.
    Wie konnte er nur so eine Scheiße denken? Das war kein Film und niemand hier Robert de Niro. Sie waren deutsche Provinzbullen und irgendwelche Drecksäue hatte zwei von ihnen erschossen. Erschossen. Totgeschossen. Aus kürzester Entfernung eine Kugel in Bernies Gesicht gefeuert. Bernie. Den Alten, den »Sergeant«. Den meistrespektierten Sheriff hier, neben Claus-Peter Wolf. Bernie, der jetzt nur noch ein Loch im Leben seiner Frau und seiner Kinder war. Eine immer schmerzende Stelle. So wie Svenjas Vater in seiner Familie. Bammm. Stirb, Bullenschwein. Das hatten sie dabei gedacht.
    Und Kim, die vor dem verdammten Wagen stand, Kim mit den schönen schwarzen Haaren und dem karamellbraunen Teint, die aussah, als käme sie aus Italien, aber in Wirklichkeit aus Thüringen stammte, was man auch hörte. Kim, die Kumpelige, die Toughe. Kim, die vor drei Jahren angetrunken mit Merten geknutscht hatte, da war er schon seit einem halben Jahr mit Svenja zusammen. Und ihr Kuss hatte wirklich nach Karamell geschmeckt und nach Äpfeln und kühlem Weißwein. Und Merten war schwindelig geworden, nicht vom Bier, sondern vom Kuss, der so voller Leben war, so kraftvoll, dass er die ganze Nacht geheult hatte, allein in seinem Bett. Weil in dem Kuss und in Kim so viel Versprechen auf eine Zukunft war, die ganz anders sein würde als alles, was Merten kannte. Und weil er den Mut nie haben würde, ihr zu sagen, dass er sie ab jetzt jeden verdammten Tag seines Lebens küssen wolle, gleich, was der Preis sei. Und weil er wusste, dass er für Svenja niemals so etwas schmerzhaft Schönes empfinden würde, auch wenn er sie liebte.
    Kim war einfach ausgelaufen auf der Straße. Aus ihrem zerfetzten Hals, dem wunderschönen, glatten und karamellbraunen Hals, war ihr Blut in den Regen gespritzt und auf den nassen Asphalt gesickert. Sie hatten nicht genug Blut im Krankenhaus, nicht genug Blut im Land, nicht genug Blut auf der ganzen Welt, um all das großartige, wunderschöne und starke Leben wieder in Kim zurückzubringen. Und sie war verreckt an Schläuchen und Maschinen, wie eine uralte kranke Frau. Das Letzte, was sie gesehen hatte, war grauer Himmel, aus dem es regnete.
    So eine Scheiße. So eine gottverdammte Scheiße, Scheiße, Scheiiiißeeeeee.
    »Merten. Merten, verdammt noch mal, hör auf. Hör auf damit.« Hände rissen ihn zurück. Merten schlug um sich. Mehr Hände griffen, packten seine Arme.
    »Jetzt beruhig dich endlich, Herrgott noch mal.«
    Jemand presste Mertens Kopf an seinen Bauch, fest, aber seine Hand lag beruhigend auf Mertens Stirn. Jürgen. Der Riesenbär, der Handballtrainer und Familienpapa.
    »Is gut, Merten. Is ja gut. Danke, Kollegen, alles klar.«
    Mertens Arme kamen frei, Hände strichen über seine Schultern. Seine Stirn tat höllisch weh. Das Telefon vor ihm hatte einen Sprung im Gehäuse, der Hörer hing am Kabel vom Tisch herunter.
    Er schloss die Augen.
    »Komm mal kurz raus, Merten.« Jürgen drückte ihm sanft die Schulter.
    Er schlief.
    Lag da wie ein Baby. Noch vor einer Viertelstunde hatte er sich wie ein Neandertaler an ihr ausgetobt, und jetzt war sein Gesicht glatt und entspannt. Er atmete tief und ruhig, eine Speichelblase hing in seinem Mundwinkel.
    Sie hätte jetzt gerne eine geraucht, wenn sie rauchen würde. Es wäre wie in einem Film. Eine hübsche, von ihrer Wildheit etwas verbeulte Frau und ein echt süßer Kerl mit harten Muskeln und glatter Haut. Schwarz-Weiß. Das Zimmer dunstig vom Sex und fein sich zur Decke kräuselnder Rauch.
    Es gäbe nur sie beide und die träge Stimmung, und die ganze Scheiße wäre einfach weg.
    Sie rekelte sich, streckte ihren Rücken, die Arme. Dann schwang sie die Beine aus dem Bett und

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