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Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)

Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Weber
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trinken wollten, war Merten ins Bahnhofsviertel gewechselt. Hier würde er keine Bekannten treffen und heute auch keine Kollegen. Niemand würde heute hier Streife laufen. Die Nutten und Zuhälter und Dealer konnten machen, was sie wollten.
    Merten war in den ersten miesen Schuppen gewankt, an dem er vorbeikam. Trank ein Bier, dann wurde es ungemütlich, weil er kein Mädchen einlud. Also war er in den nächsten Laden gegangen. Ein Stripclub. Das war besser, er zahlte Eintritt, das Bier war schweineteuer, aber er konnte sitzen bleiben. Nach drei Bier hatte ihn Selbstekel zurück auf die Straße getrieben.
    Er hatte nichts mehr richtig wahrgenommen, war einfach nur gegangen. Lichter, Stimmen, Schritte, Autos. Merten war gegangen, und sein Weinen hatte das Angesicht der Stadt zu glänzenden Schlieren verzerrt. Eine Tramhaltestelle mit einem Kiosk hatte seine Trance gestoppt, er hatte ein Bier gekauft, dann war aus dem Nichts seine Bahn gekommen, sogar in die richtige Richtung. Er war ewig weit draußen gewesen, fast an der Endhaltestelle.
    »Nächster Halt: Garnisonsplatz«, so die kalte, aber irgendwie auch angenehme Frauenstimme der Ansage. Merten starrte auf den Platz. Auf der anderen Seite der Bahn könnte er die Polizeidirektion sehen. Die Türen schlossen sich mit einem Zischen. Leute trampelten an ihm vorbei. Es würde sich keiner neben ihn setzen; nur, wenn es nicht anders ging. Er sah wie ein Gespenst aus und hatte eine Bierflasche in der Hand. Er roch nach kaltem Schweiß.
    Die Bahn fuhr ruckelnd an.
    »Entschuldigung, Sie arbeiten doch in der Leitstelle, oder?«
    Merten zuckte zusammen.
    Ein schwerer Mann im Anzug hatte sich neben ihn gesetzt. Mist. Der Mordchef. Grewe.
    Merten nickte. Grewe auch.
    Grewe gehörte zu den älteren Kollegen, zu denen Merten immer Abstand hielt. Er hatte eigentlich einen guten Ruf. Galt als fair und umgänglich. Sehr professionell. In seiner Abteilung mochten ihn offensichtlich alle.
    Aber er war auch irgendwie unwirklich. Seine Anzüge saßen ziemlich gut, obwohl er keine Idealfigur hatte. Er trug im Winter immer elegante Mäntel und schöne Schals. Seine Schuhe wirkten teuer, obwohl sie robust waren. Eigentlich interessierte so was Merten nicht, und er hatte auch keine Ahnung davon, aber bei Grewe fiel es ihm trotzdem auf. Er wirkte wie ein Filmbulle, vielleicht war es das. Aber gleichzeitig war er auch irgendwie ungelenk und altmodisch.
    Claus-Peter Wolf und Bernie Glaubke, die mochten ihn sehr und standen auf vertrautem Fuß mit ihm.
    Falsch, Bernie nicht mehr.
    Das war es vielleicht: Sie waren Väter. Richtige Familienväter. Männer. Sie trugen Verantwortung, ihre Frauen – starke, selbständige und geduldige Frauen – schmissen zu Hause den Laden, und die Männer gingen auf die Straße und jagten die Bösen.
    Merten würde nie so sein. Nicht wenn er mit Svenja zusammenblieb. Und wenn er sie verließ, sie und das Kind, dann könnte er zwar ein richtiger Bulle sein, aber er würde trotzdem nicht so sein wie Grewe und die anderen, weil er seine Familie verlassen hatte.
    »Geht’s Ihnen nicht gut?« Der Mordchef sah Merten besorgt an.
    Mertens Gesicht verkrampfte sich, und dann übergab er sich auf Grewes Hose.
    In einem Zimmer in Köln saß ein Mann auf einem Bett und starrte aus dem Fenster. Sein Gesicht war hart, wie aus Holz geschnitzt. Kurzes Haar, eisgrau, obwohl er nicht alt wirkte. Sein Körper hatte eine sichtbare Spannung und Kraft. Er war hager, zäh. Er telefonierte.
    »Es ist jetzt, wie es ist. Nicht zu ändern. Bleibt, wo ihr seid, ich komme in den nächsten Tagen nach. Verhaltet euch einfach ruhig. Er soll einfach cool bleiben, sag ihm das. Du machst das gut. Ja. Ja. Bis dann.« Er legte auf. Schloss die Augen. Atmete ein. Konzentrierte sich. Sie waren eben jung. Hatten keinen anderen Weg gesehen. Nicht zu ändern. Und was man nicht ändern konnte, musste man akzeptieren. Auch wenn das Vorhaben dadurch nicht einfacher wurde. Er öffnete langsam die Augen wieder. Atmete lautlos aus.

5
    G rewe schloss vorsichtig auf. Es war dunkel in der Diele, alle schliefen.
    Fast alle.
    »Oskar«, flüsterte Grewe dem aufgeregten Hund zu, »ja, du bist ja ein ganz Feiner, ein so Feiner.« Im Licht des Treppenhauses sah Grewe das Wedeln, während Oskars riesige, ein wenig raue Zunge seine Hände vollsabberte.
    Grewe schob Oskar Zentimeter für Zentimeter zurück in die gemütliche Maisonettewohnung, damit er die Tür schließen konnte. Dann hatte Oskars Nase etwas viel

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