Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
Deutschland gab, der so herumlief.
Celik sah zu Perschel, dann zu dem Mann in der Tür. Der wischte sich mit einem Stofftaschentuch Schweiß von der Stirn. Celik schlug die Beine übereinander und lächelte.
»Das verspricht wirklich interessant zu werden, Herr Kreisvorsitzender Schwankwitz. Nehmen Sie doch Platz.«
Der Dicke trat ein, und ein Schrank in schwarzer Kluft folgte. Direkt danach betrat Tarik den Raum und nickte Celik zu. Das bedeutete, dass der Kunde und sein Begleiter gefilzt worden waren. Schwankwitz setzte sich schwer schnaufend hin.
»Wenn ich derzeit irgendein Amt in meiner Partei hätte, dann würde ich sicher nicht hier sitzen. Das dürfte Ihnen klar sein, Herr Celik.«
Aus dem fetten und weichen Mann kam eine überraschend metallische und harte Stimme. Seine Augen waren kalt.
Celik lachte laut.
»Und spätestens wenn man in ihrer sogenannten Partei mitkriegt, dass Sie mit einem Kümmeltürken über Geschäfte reden, werden Sie vermutlich auch nie wieder eines bekommen.«
Schwankwitz zog eine Augenbraue hoch.
»Herr Celik, ich weiß, dass Sie einer politischen Organisation Ihres Heimatlandes sehr nahestehen, deren Vorstellungen sich mit unseren an sehr vielen Punkten berühren. Natürlich jeder in seinem Land. Sie würden mich dort auch nicht gerne haben wollen. Aber wir haben im Grunde eine Menge gemeinsam. Solche Zusammenhänge sind für den Durchschnitt natürlich zu komplex«, Schwankwitz lächelte süffisant, »aber ich denke, Sie und ich dürften in der Lage sein, über die Differenzen hinwegzusehen, wenn die Gemeinsamkeiten uns wesentlich weiterbringen.«
Celik fixierte Schwankwitz die ganze Zeit über. Ließ die Sätze des dicken Mannes ein bisschen in der Luft stehen. Gab Tarik ein Zeichen.
»Sie nehmen doch Tee, Herr Schwankwitz? Und dann bin ich sehr gespannt, bei was Sie und ich wohl Gemeinsamkeiten haben könnten.«
Grewe stand am Rand. Der offizielle Teil der Pressekonferenz war vorbei. Ein paar Radio- und Fernsehleute wollten noch »Statements«, was immer das sein sollte. Kindler jedenfalls schien genau zu wissen, was ein Statement war, denn er gab eines nach dem anderen. Mit ernstem, aber entschlossenem Gesichtsausdruck.
»Können wir beide eigentlich Kaffee trinken, oder Grewe?« Gregor Humpert neigte den Kopf in Richtung Kantine.
»Na, sei doch froh, dass er dich nicht braucht. Mir müsstest du die Hand halten. Und vorsagen.«
Humpert zuckte mit den Schultern.
»Das stimmt, aber dann weiß ich immerhin, wofür ich bezahlt werde.«
Humpert. Ausbund an Neutralität. Nie erste Reihe. Meinung nicht hinterm Berg, sondern hinterm Mount Everest. Interessant.
Grewe musste sich Gehässigkeit immer verbieten. Er schämte sich für die Neigung.
»Gregor, ich würde gerne, aber ich muss hoch. Schon so spät.«
»Alles klar, du. Anderes Mal, Grewe.« Humpert klopfte ihm auf den Oberarm. »Muss eh hierbleiben. Und wenn’s nur der Form halber ist.«
Grewe lachte.
Im Lift musste er wieder an Merten Zingerle denken und an seine Lüge. Wo war sie gewesen? Grewe wusste es nicht.
Die Bürotür war geschlossen. Wahrscheinlich telefonierte Therese, dabei brauchte sie oft Ruhe. Er klopfte kurz und öffnete dann leise die Tür. Therese telefonierte nicht.
Sie weinte.
Hatte ihn nicht bemerkt. Er traute sich weder vor noch zurück. Dann sah sie ihn doch, und sofort schlüpfte Grewe ins Büro und schloss die Tür.
Sie saß schlaff in ihrem Stuhl. Die Hände wie etwas Fremdes auf ihren Beinen. Kajal lief in Streifen an ihren Wangen runter (seit wann benutzte sie eigentlich Kajal? Klara sagte immer, Kajal ist Emo. Therese war nie Emo gewesen.)
»Kann ich dir …« Grewes Hals wurde eine Sahara, als er versuchte, das zu sagen.
Therese schluchzte fast lautlos. Schüttelte den Kopf. Schluchzte lauter.
Grewe setzte sich ihr gegenüber. Wie immer. Theresetisch. Grewetisch. Telefone. Computer. Akten. Auf dem Grewetisch Zeug von der Familie. Auf dem Theresetisch nette Kleinigkeiten. Geschenke von Heiko Leptien, mit dem sie seit fast einem Jahr zusammen war. Er war der Pflichtverteidiger des Rockers gewesen, der Therese beinahe vergewaltigt hatte, und hatte sich als sehr feiner Mensch erwiesen. Aber sie trennten sich dauernd, was jedes Mal Thereses Idee war, nie Heikos. Seit einem halben Jahr hatte Grewe immer Massen von Tempos in seinem Schreibtisch. Weil Therese dauernd weinte und nie Tempos hatte, denn wenn sie plötzlich immer Tempos hätte, wäre dies das Eingeständnis, dass sie
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